6789435-1970_29_05.jpg
Digital In Arbeit

Die Macht der Angestellten

Werbung
Werbung
Werbung

Charakteristikum der modernen Industriegesellschaft ist ein stetiges Anwachsen der Zahl der Angestellten. Diese haben als Produkt eines sozio-ökonomischen Umwälzungs-prozeßes große Bedeutung erlangt, prägen den Sozialstatus einer Gesellschaft und entscheiden auf Grund ihrer politischen Mobilität nun auch in Österreich politische Wahlen. Das Institut für empirische Sozialforschung führte kürzlich im Auftrag der Gewerkschaft der Privatangestellten eine Untersuchung über die Privatangestellten durch. Diese recht vage als „Mittelschichte“ bezeichnete Gruppe weist einen durchschnittlichen jährlichen Zuwachs von einem Prozent auf. In absoluten Zahlen ausgedrückt, stieg die Zahl der Angestellten von 882.632 im Jahre 1963 auf 984.189 im Jahre 1969, davon waren ungefähr 840.000 Privatangestellte.

Gerade die Privatangestellten legen eine deutliche politische Mobilität an den Tag. Daten von verschiedenen repräsentativen Umfragen erhärten diese Feststellung: Tendieren im Mai 1967 noch 39 Prozent der Privatangestellten zur ÖVP, 25 Prozent zur SPÖ und 4 Prozent zur FPÖ, so bevorzugten im Dezember 1969 37 Prozent die SPÖ, 23 Prozent entschieden sich für die ÖVP und gleichbleibend 4 Prozent für die FPÖ. Dem ÖAAB als für die Angestellten zuständigen ÖVP-Bund ist es bisher nicht gelungen, dieses Reservoir auszuschöpfen. Er konzentriert seine Bemühungen vor allem auf Staatsangestellte, vernachlässigt jedoch die Privatangestellten, die aber infolge Mittelstandsbewußtseins ein starkes Bedürfnis nach institutionalisiertem Schutz haben.

Eine Durchleuchtung der Privatangestellten in bezug auf ihre Ausbildung bringt ein breites Spektrum: mit 31 Prozent dominieren Besucher der Fachschulen, Handelsschulen oder diversen Sonderkursen, wobei nicht unterschieden wurde, ob diese Ausbildung abgeschlossen oder vorzeitig abgebrochen wurde. 24 Prozent der Privatangestellten weisen eine abgeschlossene Lehre im Angestelltenberuf auf, 14 Prozent absolvierten die Mittelschule mit Matura, während 5 Prozent mit abgeschlossener Hochschulbildung nur knapp vor den 4 Prozent derjenigen Privatangestellten rangieren, die die Mittelschule nach dem 14. Lebensjahr verließen. Die Ausbildung prägt sehr stark das Angestelltenbewußtsein. Rund 41 Prozent der Privatangestellten ziehen eine scharfe Grenze zu den Arbeitern, wobei jene Angestellten, die eine geringere Schulbildung aufzuweisen haben, also ohne Lehre oder über die Pflichtschule hinausgehende Schulbildung, den größten Anteil haben. Offenbar handelt es sich um eine psychologische Barriere, die aufgerichtet wird, um den Abstand zur als „tieferstehend“ eingestuften Arbeiterschaft zu betonen. Die Abgrenzung nach oben, zum Arbeitgeber, fällt wesentlich leichter. Nur ein geringer Prozentsatz, hier vor allem Maturanten, neigt dazu, diese Grenze zu verwischen. Es bleibt also ein nicht sehr profiliertes Mittelstandsbewußtsein, das in keiner Weise zur Bildung einer „neuen Klasse“ führt; lediglich in kultureller Hinsicht . entwickelt die Angestelltenschaft Tendenzen, sich von den übrigen Arbeitnehmern scharf abzugrenzen und „einen eigenen Stil zu leben“. 81 Prozent der Angestellten sind der Meinung, für kulturelle Angelegenheiten ein stärkeres Interesse als Arbeiter zu haben. 76 Prozent widmen sich ihrer beruflichen Weiterbildung, und 59 Prozent halten sich für intellektueller als Arbeiter.

Mit Jahresende 1969 waren 262.493 Privatangestellte gewerkschaftlich organisiert, wobei in Kleinstbetrieben mit weniger als fünf Beschäftigten etwa 20 Prozent der Privatangestellten Gewerkschaftsmitglieder sind, in Betrieben mit Beschäftigtenzahlen zwischen 20 und 200 Beschäftigten bereits 35 Prozent. In Großbetrieben mit 200 bis 500 Beschäftigten sind 64 Prozent der Angestellten organisiert, in den größten Betrieben — mit mehr als 500 Beschäftigten — 76 Prozent.

Befragt nach der Notwendigkeit der Gewerkschaft, bekennen sich 76 Prozent der Privatangestellten eindeutig zu ihr, wobei die politische Einstellung kaum eine Rolle spielt. 60 Prozent der ÖVP-Anhänger sehen die Gewerkschaft als eine absolute Notwendigkeit.

Diese Zahlen zeigen einen deutlichen Zug der Angestellten-Mittelschicht, sich unter den Schutz einer Institution zu stellen. Es handelt sich hie-bei nicht so sehr um ein politisches Problem als vielmehr um das Streben nach sozialem Schutz. Dieses Bedürfnis wächst analog der Größe des Betriebes, in dem man beschäftigt ist: je anonymer der einzelne, desto größer die Neigung zum Zusammenschluß. Aber umso leichter natürlich der Weg in die Gewerkschaft. F. W.

schied von der Wahl des Bundespar-teiobmanries — strikte vermieden, „von oben her“ den Delegierten die Wahl des 39jährigen Bauern und Agrarreferenten in der Kärntner Landesregierung, Herbert Bacher, nahezulegen, das Votum für ihn fiel trotzdem — oder eben deshalb? — mit 97,3 Prozent der gültigen 152 Stimmen — 22 Delegierte hatten ungültig gewählt — eindeutig aus, wie dieser Parteitag überhaupt sehr ruhig verlief. Die Wortmeldungen des anwesenden Parteivolkes waren gering und bezogen sich nicht auf den Wahlakt. Dazu war auch kein Anlaß, denn nach Alternativen zu der als Reverenz verstanden wird. In einem ORF-Interview warf man ihm sogar vor, aus einem „Schrumpfbund“ zu kommen, was freilich für Kärnten nicht ganz zutrifft. Mit mehr Interesse, als es bei der Obmannwahl der Fall war, erwartet man nun die Arbeit, die ein „Bacher ohne Schleinzer“ verrichten wird. Auf den neuen Parteiobmann wartet nämlich die undankbare Aufgabe, die ÖVP aus dem Getto herauszuführen, in dem sie sich in Kärnten befindet. Zwar konnte man bei den Landtagswahlen am 26. April dieses Jahres den „ewigen“ Besitzstand von zwölf Mandaten halten, doch nicht verhin-

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung