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Digital In Arbeit

Die suggestive Kraft

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Man mag über die Wirtschaf tswerbung denken, wie man will.

Man wird aber nicht übersehen können, daß sie heute ein wesentliches und nicht mehr wegzudenkendes Element der freien Wirtschaft darstellt. Sie wird in den Planungen der Herstellerfirmen einkalkuliert, und sie wird keineswegs aufs Geratewohl eingesetzt, sondern unter sehr sorgfältiger Abschätzung des zu erwartenden Erfolges.

Daß die Werbungstreibenden seit jeher bestrebt sind, sich der Massenpublikationsmittel für ihre Zwecke zu bedienen, ist naheliegend. Daß nun auch größtes Interesse dafür besteht, das Fernsehen als Werbemittler einzusetzen, wird jedem klar sein, der nur einigermaßen die Wirkungsmöglichkeiten des Fernsehens erkannt hat.

So ist bisher wohl in jedem Land, in dem es das Fernsehen gibt, einige Zeit nach Einführung desselben — sofern es nicht von vornherein aus Werbeeinnahmen finanziert wird, wie etwa in den USA — der Ruf nach Einführung von Fernsehwerbesendungen laut geworden. Gruppen haben sich gebildet, die für und wider diese Forderung Partei ergriffen, und oft wurden erbitterte Kämpfe ausgetragen. Und überall, wo schon eine endgültige Entscheidung gefallen ist, hat das Werbefernsehen den Sieg davongetragen. Dort, wo seine Einführung bisher verhindert wurde, ist kaum von einer endgültigen Lösung zu sprechen. Die Verfechter der Werbung im Fernsehen werden nicht ruhen und immer wieder ihre Stimme erheben. Wo es aber einmal eingeführt wurde, dort wird es nicht mehr zu unterbinden sein. So gibt es heute — um nur die wichtigsten europäischen Fernsehländer zu nennen — Werbefernsehsendungen in Großbritannien, der Bundesrepublik Deutschland und in Italien. In der Schweiz, wo der Zeitungsverlegerverband jährlich zwei Millionen Schweizer Franken an das Fernsehen zahlt, um Werbefernsehsendungen zu verhindern, ist ganz offensichtlich noch nicht das letzte Wort gesprochen.

Damit ist aber der Punkt berührt, der das Fernsehen selbst für die Einführung von Werbesendungen plädieren läßt: die zusätzliche Geldquelle. Der Fernsehbetrieb kostet sehr viel Geld, und die Programmqualität hängt letzten Endes doch von der Bereitstellung entsprechender Mittel ab. Die durch die Werbesendungen erzielten Einnahmen kommen also letzten Endes dem regulären Programm und damit dem Zuschauer zugute. Da die Einnahmen aus den Werbesendungen im Vergleich zur Sendezeit ziemlich groß sind, so läßt sich verhältnismäßig leicht ein Kompromiß finden, mit dem sich auch die Zuschauer, die im allgemeinen über Werbeeinschaltungen wenig erfreut sind, ab- finden können: Die Sendezeit für das Werbefernsehen wird soweit beschränkt, daß sich die verbleibende „Werbeberieselung” in erträglichen Grenzen hält — im Vergleich zu der mit dem eingenommenen Geld’ ermöglichtet ‘Verbesserung von Qualität und Reichhaltigkeit dös Programines.’Gatte abgesehen davon, daß, wie die Erfahrung schon gelehrt hat, auch Werbesendungen so gestaltet sein können, daß sie für den Zuschauer einen ähnlichen Anreiz bieten wie Sendungen des normalen Programmes.

Das Österreichische Fernsehen hat in diesem Sinne eine recht zufriedenstellende Regelung getroffen. Es stehen täglich, mit Ausnahme von Sonn- und Feiertagen, zu Beginn des Abendprogrammes zwei Minuten, und „Kurz vor acht vier Minuten reine Werbezeit zur Verfügung. Zu diesen Zeiten werden ausgesprochene Werbesendungen in Form von Einzeleinschaltungen, sogenannte „Spots”, ausgestrahlt. Daneben gibt es im Rahmen des Abendprogrammes noch einige „gestaltete Werbesendungen , die aus einem neutralen, also werbungsfreien Kurzprogramm, und einer davon getrennten Werbeeinschaltung bestehen. Die Dauer für die Werbeeinschaltung ist für eine Zweieinhalbminutensendung mit dreißig, für eine Fünfminutensendung mit sechzig Sekunden begrenzt.

Die Produktion der Werbesendungen, sowohl der eigentlichen Werbeeinschaltungen als auch der neutralen Programme für die gestalteten Werbesendungen, muß vom Werbungstreibenden selbst veranlaßt und finanziert werden. Das Fernsehen hat also auf die Qualität der Werbesendungen nur insoweit Einfluß, als es ungeeignete Sendungen ablehnen kann. Die Werbesendungen werden vom übrigen Programm deutlich getrennt und durch eine entsprechende Ansage, seit einiger Zeit durch einen eigenen Tricktitel, als solche gekennzeichnet.

Es ist also dafür gesorgt, daß die Werbesendungen insgesamt an einem Abend eine bestimmte und relativ geringe Dauer nicht überschreiten. Daß die werbungstreibende Wirtschaft eine Verlängerung der Werbesendezeiten verlangen wird, ist unausbleiblich; schon jetzt sind die Sendezeiten weitgehend auf lange Sicht „ausverkauft”. Um so wichtiger ist es, daß man sich beim Fernsehen sehr sorgfältig überlegt, ob man einmal eine Erweiterung des Werbefernsehens — und gegebenenfalls in welcher Form — dem seine Teilnehmergebühr bezahlenden Zuschauer gegenüber verantworten kann.

Nicht zu übersehen sind schon heute die durch das Werbefernsehen erzielten Einnahmen. Eine überschlagsmäßige Rechnung ergibt auf Grund der durchschnittlichen Zahl der pro Tag derzeit laufenden Einschaltungen, daß die monatlichen Einkünfte des Fernsehens aus den Werbesendungen etwa halb so groß wie die Einnahmen aus den Teilnehmergebühren sind.

Es wurde schon darauf hingewiesen, daß das Fernsehen auf die Gestaltung der Werbesendungen keinen Einfluß nehmen kann. Die Werbungstreibenden selbst wenden sich meist an eine Werbeagentur, die den Auftrag an eine Werbefilmproduktionsfirma vergibt.

Die Autoren und die Gestalter dieser Sendungen bleiben weitgehend anonym. Das sollte aber kein Hindernis sein, ein gewisses Niveau und eine einigermaßen fernsehgerechte Form einzuhalten. Gerade unter den „Spots” findet man sehr viele, die nichts anderes sind als bebilderte Werbeslogans, illustrierte Rundfunkwerbung sozusagen; manche sind ziemlich einfallslos (kann man wirklich nichts anderes zeigen, als immer wieder die Packung in irgendwelchen Bewegungstricks?); bei manchen wird das Bild richtig zerredet; andere wieder sind von einer erschreckenden Primitivität.

Nur wenige ragen über die Flut des Mittelmaßes hinaus. Recht nett ist die Werbung einer Textilfirma für eine bestimmte Stoffmarke, die, in verschiedenen Variationen, die Mehrdeutigkeit der Worte „Stoff” und „Marke” ausnützt. Die Ankündigung eines Bügelautomaten benützt das Bild geschickt, um das angepriesene Gerät in Funktion zu zeigen. Eine Autofirma bringt nach einem kurzen Zeichentrick eine mit der Musik abgestimmte rhythmische Bildfolge, die sehr modern ist und sehr ansprechend wirkt. Leider wurde sie in letzter Zeit etwas gekürzt, was ihr viel von ihrer Wirkung nimmt.

Erfreulicher sieht es bei den gestalteten Werbesendungen aus. Eine sehr ansprechende, seriöse Werbesendung ist die „Kleine Kochberatung”. Sehr geschickt gehen hier die neutralen Küchentips in die Werbung über, und es erhebt sich die Frage, ob die in den neuesten Geschäftsbedingungen des Österreichischen Rundfunks enthaltene Bestimmung, nach der Kurzsendung und Werbung deutlich voneinander getrennt sein müssen, zweckmäßig ist, wenn ohnehin die ganze Sendung unter dem Titel „Werbefernsehen” läuft. Sie führt vielfach dazu, daß auf die Kurzsendung völlig unmotiviert und abrupt die Werbeeinschaltung folgt, was diese nicht unbedingt attraktiver macht. Das ist beispielsweise besonders deutlich bei der Reihensendung „Heiße am Samstag”, die immer einen netten kabarettistischen Sketch bringt. Hier kommt noch dazu, daß die Werbeeinschaltung in Idee und Gestaltung jFeit hinter dem Kurzprogramm zurücksteht.

In einigen Sendungen ist aber auch — so paradox das klingen mag — die Verbindung von (thematischem) Übergang und (formaler) Trennung gelungen, ganz ausgezeichnet bei der Sendung „Auf Schritt und Tritt”, die unsere Umwelt aus der Dackelperspektive zeigt. Dabei fällt der Blick schließlich auf ein Plakat, das bereits das Objekt der Werbung zeigt, und aus dem sich eine wirkungsvolle, rhythmisch gestaltete Bildmontage ergibt, die sich in Stil und Begleitmusik deutlich von dem werbefreien Kurzfilm abhebt. Auch die Sendung, in der Otto Schenk Gedichte von Ringelnatz, Morgenstern und anderen liest, weist einen „trennenden Übergang” durch einen Schrifttitel auf, wobei man darüber streiten kann, ob dieser grammatikalisch richtig ist oder nicht. Sehr gut ist dabei die Idee, in dem — aus früheren Sendungen hinlänglich bekannten — gesprochenen Werbetext den Markennamen wegzulassen: der Zuschauer ergänzt ihn selbst. Auch die Bankwerbung, die schon verschiedene Programmsujets verwendet hat, bemüht sich stets um eine Programm und Werbung verbindende Formulierung. Wenn aber Hans Thimig Wilhelm Busch liest und die Verse unauffällig in einen, Busch nachempfundenen Werbetext übergehen, dann widerspricht das nicht nur der oben erwähnten Bestimmung, sondern auch dem guten Geschmack …

Im ganzen gesehen können die Zuschauer jedenfalls mit der derzeit bestehenden Lösung des Problems Werbefernsehen recht zufrieden sein. Der Wunsch nach einer weiteren Hebung des Niveaudurchschnittes betrifft nicht nur das Werbefernsehen.

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