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Doppelspieler verhaftet

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Die kroatischen politischen Gruppen im Exil haben es sicher nicht leicht. Von einer unseligen Vergangenheit belastet, für die sie zumeist, als Angehörige von Nachkriegsjahrgängen, gar nichts können, müssen sich diese Kroaten noch Verleumdungen und Unterstellungen gefallen lassen, die ihnen von einer bestimmten Publizistik — voran vom „Spiegel“ — zugefügt werden.

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Die kroatischen politischen Gruppen im Exil haben es sicher nicht leicht. Von einer unseligen Vergangenheit belastet, für die sie zumeist, als Angehörige von Nachkriegsjahrgängen, gar nichts können, müssen sich diese Kroaten noch Verleumdungen und Unterstellungen gefallen lassen, die ihnen von einer bestimmten Publizistik — voran vom „Spiegel“ — zugefügt werden.

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Ging man diesen Berichten bis zur Quelle nach und interessierte man sich für ihre Entstehung, so stieß man immer wieder auf ein und denselben Namen: Hans Peter Rullmann, in Belgrad akkreditierter Korrespondent des „Spiegel“, der „TZ“ und anderer bundesdeutscher Zeitungen und Zeitschriften. Kein Bericht war so gehässig, keiner entsprach so genau den Anschauungen der Belgrader Machthaber, keiner verwendete in solchem Maße das amtliche jugoslawische Dokumentar-material wie die Rullmann-Berichte — hauptsächlich natürlich im „Spiegel“.

Die Redaktion des Hamburger Nachrichtenmagazins wußte dies auch zu schätzen. Wenn es zu irgendeinem Ereignis von einiger Bedeutung kam, an dem die kroatischen Organisationen oder Einzelpersonen im Exil beteiligt waren, wurde sofort der Belgrader Apparat Rullmanns in Bewegung gesetzt, und da konnten dann die ahnungslosen deutschen Spiegel-Leser in Erfahrung bringen, wie sich die Angelegenheiten „eigentlich“ verhielten. Ob es sich nun dabei um irgendeinen Prozeß gegen Angehörige des kroatischen Exils, um die Entführung von Prof. Draganovic, die rätselhafte Mordserie in München oder um die Rolle des Berliner Arztes Dr. Jelii im Freundeskreis der CSU handelte — immer wußte Rullmann dazu genau das Passende zu sagen. .' .'

Nun geschah aber etwas völlig Unerwartetes, sozusagen ein „coup de scene“: Als Rullmann, am 11. März 1970 gerade an einem seiner Berichte über die Kroaten in der CSU gearbeitet und darüber der TZ (nach deren eigener Darstellung) telephonisch einige Angaben gemacht hatte, wurde er von jugoslawischen Geheimagenten unter schwerwiegendem Spionageverdacht verhaftet und in das Untersuchungsgefängnis gebracht. Seit 10 Jahren war kein westlicher Pressekorrespondent in Jugoslawien von den Sicherheitsbehörden belästigt, noch nie einer verhaftet worden! Wer war und wer ist dieser fabelhafte Hans Peter Rullmann? Mit dieser Frage beschäftigen sich nun die zuständigen jugoslawischen Behörden, die Rullmann sogar vor ein Kriegsgericht bringen wollen, und fördern dabei ganz interessante Dinge zutage, wie etwa: Rullmann habe einige Jahre in der DDR gelebt und dort Pässe gefälscht, wofür er zu einer Gefängnishaft verurteilt worden sei. Angeblich habe er auch Flüchtlingen zur Flucht in die BRD verholten, habe auf diese Weise Asyl in der Bundesrepublik erhalten, sei jedoch auch dort nicht zur Ruhe und schließlich nach Jugoslawien gekommen, wo er nun bereits seit 10 Jahren lebt. Zuerst war er Mitarbeiter der slowenischen Zeitschrift „Delo“ (die als oppositionell gilt) und schließlich —im Besitz eines Reisepasses der Bundesrepublik Deutschland — akkreditierter Korrespondent des „Spiegel“ in Belgrad, wo er seit 1965 wohnte. Neben dieser seiner Tätigkeit war Rullmann noch für 32 verschiedene mittlere und kleinere Zeitungen und Zeitschriften, vor allem in der BRD und Österreich, als freier Mitarbeiter tätig, und berichtete außerdem für den SPD-Pressedienst in Bonn, gelegentlich auch für Rundfunkanstalten in der Bundesrepublik.

Die jugoslawischen Behörden nahmen Rullmanns Berichte über einen möglichen Militärputsch in Jugoslawien während Titos letzter Abwesenheit aus dem Lande (Afrikareise) zum Anlaß, Rullmann der Militärspionage zu verdächtigen und anzuklagen. Er soll zusammen mit zwei Mitarbeitern — einem jugoslawischen Journalisten albanischer Nationalität und einem Angestellten in einer Militäranstalt — Angaben über vertrauliche militärische Vorgänge gesammelt und weitergemeldet haben.

Obwohl von amtlich-jugoslawischer Seite noch nicht bekanntgegeben wurde, für welche fremde Macht Rullmann tätig war, verdichteten sich in Belgrad Gerüchte, wonach es sich dabei nicht um einen westlichen, sondern um einen östlichen Nachrichtendienst gehandelt habe. Dies umso mehr, als der mit Rullmann verhaftete Albaner nachweislich Anhänger der prosowjetischen Linie in Albanien und Jugoslawien war und außerdem Kontakte über die DDR nach der Sowjetunion besaß.

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