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„Ein Christ erlebt die Sowjetunion“

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Von Hewlett Johnson. Mit einem Nachwort von Nikolaus Hovorka. Verlag der Berichte zur Kultur- und Zeitgeschichte. Verlag „Die Brücke“, Wien 1947, 448 Seiten.

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Von Hewlett Johnson. Mit einem Nachwort von Nikolaus Hovorka. Verlag der Berichte zur Kultur- und Zeitgeschichte. Verlag „Die Brücke“, Wien 1947, 448 Seiten.

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Weses Budi. das unter dem Signum „Ein Christ erlebt die Sowjetunion“ steht, ist von einem Dekan der anglikanischen Kirche um 1937 geschrieben worden/Jedermann, der guten Willens ist; wird den Versuch, diesen großen Fragenkomplex objektiv darzustellen. begrüßen, ln einer Zeit, da die große Öffentlichkeit Englands sidi von Rußland nur ein schwache Bild machte — das Buch wurde 1937 geschrieben —, sollte vorliegende Sdirift auf die positive Bedeutung der Vorgänge in d'esem großen und so bedeutenden Land Hinweisen und um Verständnis wie Vertrauen werben. Der Autor selbst stammt aus einem kleinen Industrieunternehmen Englands, hatte durch seine Lehrzeit in einem technischen Betrieb in Manchester und anderswo die soziale Problematik seiner Zeit am eigenen Leibe verspürt und beschäftigte sich auch als Seelsorger damit. So erregten auch die Vorgänge in Rußland sein Interesse, und vermöge seiner Einfühlungsgabe gelang es.ihm, umfassende Eindrücke zu sammeln. Dekan Johnson weiß seme Anschauungen mit Temperament vorzutragen. Sie sind aber auch geschrieben, um jene Kräfte frei zu machen, die in seinen Augen die bessere Ordnung in Rußland herzustellen imstande' wären. Deshalb wendet er sich gegen ,,unsere westliche wirtschaftliche und soziale Ordnung“, die sich unter dem Begriff „Christentum“ zu verbergen suche. Der Verfasser des Buches warnt jedoch auch, das Leben in Sowjetrußland allzu rosig zu sehen. „Meine Stellungnahme in diesem Buche“, sagt der Verfasser „ist von Sympathie getragen. Ich werbe vor allem um ein entgegenkommendes Verständnis für das Problem. Ich hebe die Erfolge und die guten Seiten des Experiments hervor. Es hat Schatten wie Licht, und ich bin mir dessen — sehr wohl und sehr oft — schmerzlich bewußt. Wenn ich dennoch weniger von den Fehlern oder mangelnden Erfolgen spreche, geschieht dies hauptsächlich deshalb, weil andere Schriftsteller vor mir diese Aufgabe (mit Überbetonung) erfüllt haben und weil ich fühle, daß gerade diese Übertreibung und Hervorhebung der Mängel bei gleichzeitiger Vernachlässigung der großartigen moralischen und materiellen Errungenschaften derail schuld sind, daß viele gegnerisch eingestellt sind, die das Experiment begrüßen und daran lernen sollten und wenn sie mehr wüßten, es auch wirklich tun würden“ (S. 12/13).

In diesem Vorhaben entrollt das Euch ein Bild von dem materiellen Aufschwung Sowjetrußlands, um dann zu zeigen, wie im Kommunismus endlich die religiöse Erfüllung dessen vollzogen werde: „Wenn die Sowjetunion die Wurzel der Habsucht ausrottete und den Menschen aus der Knechtschaft des Aneignungstriebes befreite, um dadurch den Weg für eine neue Organisation des I aseins auf einer höheren Stufe des Lebens zu ebnen, vollbrachte sie eine durchaus religiöse

Tat' (S. 417). Das Christusbild, auf das sich der englisdie Dekan beruft, entspricht nicht dem Glauben noch der Überzeugung der katholischen noch der bekennenden evangelischen Kirche, eher erinnert es an gewisse liberale Leben-Jesu-Dar- stellungen, die vor fünfzig Jahren in manchen Bereichen des Protestantismus umgingen.

Trotzdem kommt dem Buch eine Bedeutung zu, die Nikolaus Hotorkj in seinem Nachwort unterstreicht, in der er von seiner eigenen Person feststellt: „Idi wende mich vor allem an alle die vielen tausende Leser meiner Berichte zur .Kultur, und Zeitgeschichte' und insbesondere an jene, die dem geistlichen Stand angehören und d'e mir die Treue bewahrt und meiner in Liebe gedacht haben, während der langen schweren Jahre, da ich mit meinen Freunden in den Konzentrationslagern Unsägliches erlitten habe, weil ich keinen der Grundsätze, die mir seit Beginn meiner schrif'stellerischen Tätigkeit heilig waren, aufgeben wollte und m:t H-tler und dem Teufe! zu keinem Kompromiß bereit war..(S. 446 447), Sein Anliegen wie sein Bemühen hat Hovorka, wie er betont, einem großen Ziel gewidmet, das er in diesem Buch auch verwirklicht sieht: „Die apokalyptische Katastrophe dc zweiten Weltkrieges sei den Kleinmütigen eine Warnung und eine Mahnung, Denn nur zwei Gedankengebäude haben sie überlebt: das Christentum und der Sozialismus. Sie sind nicht die beiden Antithesen, für che sie solange gehalten wurden. Die spießbürgerliche Angst vor dem Wagnis einer Synthese ist geistfeindlicher als der überlebte Vulgärmater lalis- mus. Sollte es nach soviel Jahren der Kriegsnot und des Elends nicht möglich sein, daß sich alle Menschen guten Willens auf das Programm eines dauerhaften Friedens einigen, anstatt ihre Kräf e in Haß und Hetze zu erschöpfen, die zu einer neuen Katastrophe führen?“

Von, diesem Gesichtspunkte will dieses soeben er Ji’enene Buch gesehen und gelesen werden. Die Wirkl'dhkeiten stoßen leider hart gegen das idealistische Weltbild, das sich in den zitierten Sätzen ausspricht, vor. Dr. Josef K o p p m

Eine Reise auf der Karte der Sowjetunion.

Von Nikolaj Micha jlow und Wadim P o k- schischewski. Verlag Erwin Müller.

Schon lange wünschte man sich abseits der politischen Sdilagworte ein Bild zu machen von der heutigen Wirklichkeit in der UdSSR. Das vorliegende Budi im Umfange von rund 400 Sei ten erfüllt manche Wünsche, Es ist eint autorisiert Übersetzung einer Arbeit zweier russischer Wissenschaftler. In sieben großen Reisen führen sie uns durch die wichtigsten und eharakteristi- schen Teile der weltweiten Union. Den einzelnen Kapiteln geht eine wertvolle, k'eine, zusammenfassende Übersicht über die betreffende Sowjetrepublik nach Größe, Bevölkerung, Grenzen usw voraus. Wo nötig, werden lydi geschichtliche Hinweise eingekochten. Ziffernmäßige Angaben über Produktion und über die E nw h ierzahl der allermeisten großen Industriestädte werden nicht gegeben. 68 zum größten Teil charakteristische ganzseitige Tiefdruckbilder und zwölf einfache Kartenskizzen tragen zum besseren Verständnis des Gelesenen bei. Einige Druckfehler, wie auf Seit 133, Größe des Sewansees, sind als solche leicht zu erkennen. — Es ist kein Geographiebuch im herkömmlichen Sinne, will es auch nicht sein, schon gar n'dht ist es ein Reisehandbuch. Auf Vollständigkeit wird bewußt verzichtet. Es zeigt vor allem die ungeheuren Veränderungen in Wirtschaft und Kultur in den letzten dreißig Jahren auf, und die damit einhergehenden Änderungen im Aussehen der Landschaft, weist in den Kriegsgebieten auf die Zerstörungen hin und berichtet vom Wiederaufbau. — Diese erste authentische Veröffentlichung in Österreich über die UdSSR im geograph.-ch- wirtschaftlichen Sinne kommt sicher einem großen Bedürfnis entgegen. Sie wird nicht nur einen nützlichen Nieder?chjag in Schulbüchern, Atlanten und in der Schulstabe finden, sondern wird auch im breiten Publikum viel zum besseren Verständnis dieses größten Staates der Erde beitragen.

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