6569860-1950_15_03.jpg
Digital In Arbeit

Fünf Jahre österreichische Außenpolitik

Werbung
Werbung
Werbung

Nach Kriegsende litt Österreich darunter, daß es während des Krieges und der Besetzung keinen anerkannten Sachwalter seiner Interessen im Ausland hatte. Die innere Zerrissenheit der österreichischen Emigration, welche die politische Zerklüftung der Zwischenkriegszeit widerspiegelte, hat dies ebenso verursacht wie die zweideutige Haltung einiger Mächte. Bei allen diplomatischen Aktionen, die Österreich betrafen, war daher die Stimme Österreichs verstummt. Gerade in dieser Zeit wurden jedoch wichtige Entschließungen gefaßt: die Moskauer Deklaration, die Vereinbarungen von Jalta und die Abmachungen über die Zoneneinteilung in Österreich. Die natürliche politische Lösung für Österreich, nämlich die sofortige Räumung des Landes nach Anerkennung einer demokratischen Regierung, hatte dadurch selbst im Westen nur wenig Fürsprecher. Der unterbewußte Wunsch nach Rechtfertigung der eigenen Fehler hatte ebenso wie die vollkommene Überschätzung einer Möglichkeit des österreichischen Widerstandes im Herzen des faschistischen Kraftfeldes Deutschland-Italien dazu beigetragen. Wie immer dem auch sei, diese politisch-diplomatischen Vorakte haben für das Schicksal des Staates folgenschwere Konsequenzen gehabt.

Kurz nach dem Einmarsch der sowjetischen Truppen hatte sich in Ostösterreich die Regierung Renner gebildet. Sie fand zunächst noch keine internationale Anerkennung. In Westösterreich gab es lediglich lokale Gewalten, die unter sich den Zusammenhalt nur durch Initiative einzelner Persönlichkeiten aufrechterhielten. In dieser Zeit hatte die Regierung Renner nur eine beschränkte Einwirkungsmöglichkeit auf die Sowjetunion. Die lokalen Gewalten in Westösterreich besaßen, weil völkerrechtlich nicht organisiert, eine ähnlich beschränkte Einwirkung auf die westlichen Staaten.

Aufbau der diplomatischen Vertretungen

Nach der völkerrechtlichen Anerkennung der inzwischen erweiterten Regierung war es die erste Aufgabe, mit den Mächten, unkontrolliert von den Militärs, in Kontakt zu treten. Es gab eine einzige Vertretungsbehörde im Ausland — das Amt des Politischen Beauftragten in Prag.

Zwischen dem 20. Oktober und 12. November 1945 langten die zustimmenden Erklärungen der vier Mächte zur Errichtung politischer Vertretungen in ihren Hauptstädten ein. Infolge technischer Schwierigkeiten konnten jedoch die österreichischen Vertreter erst im Februar des Jahres 1946 abreisen. Unter welchen dürftigen Voraussetzungen haben diese Diplomaten ihre wichtige Arbeit beginnen müssen! In der Regel gab es kein Geld. Die Amtstätigkeit fand im Badezimmer eines Hotels statt, dem oft die Mieten schuldig geblieben wurden. Trotzdem gelang es bald, die Vertretungen zu stabilisieren und ihnen den normalen diplomatischen Status zu verschaffen. In der Folge wurde rasch ein ausgedehntes Netz von Vertretungen in allen Staaten errichtet. Dabei erwies sich eine würgende Personalnot als Hemmnis. Die Entsendung politischer Persönlichkeiten hätte bedeutet, den auswärtigen Dienst dem Parteiproporz auszuliefern. Beide Parteien einigten sich deshalb darauf, geschulte Diplomaten zu entsenden. Zahlreiche Neuaufnahmen waren nötig. Aber es brauchte Jahre, bis dieser Nachwuchs in seine Aufgaben hineinwachsen konnte. Die Arbeiten am Ballhausplatz mußten zeitweise von einem halben Dutzend Referenten erledigt werden.

Inzwischen waren wichtige Konferenzen abgerollt, ohne daß Österreich wesentlich auf sie einwirken konnte. Auf der Moskauer Außenministerkonferenz vom 16. bis 27. Dezember 1945 wurde das Programm der Friedensverträge beschlossen. Österreich war in diesem Programm nicht enthalten. Auch auf der wichtigen Potsdamer Konferenz vom 17. Juli bis 2. August 1945 war die Stimme Österreichs noch zu schwach, um sich Geltung zu verschaffen. Österreich wurde überhaupt nicht informiert, geschweige denn konsultiert. In der öffentlichen Meinung auch des Westens wurden wir viel zu sehr mit Deutschland in einen Topf geworfen, als daß wir uns sofort hätten Geltung verschaffen können. Sobald engere Fühlung mit den Mächten hergestellt war, wurde freilich keine Zeit verloren, um auf die weiteren, Österreich betreffenden Entscheidungen gebührend Einfluß zu nehmen.

Die Wahlen des Jahres 1945, die eine eklatante Niederlage der Kommunisten gebracht hatten, veranlaßten offensichtlich die Sowjetunion, bis auf weiteres die Diskussion eines Österreichvertrages abzulehnen. Erinnert sei nur an die scharfe Ablehnung Molotows auf der Pariser Konferenz vom 25. April bis 16. Mai und vom 15. Juni bis 12. Juli 1946, den österreichischen Vertrag zu diskutieren, unter dem Hinweis auf die ungelöste DP-Frage und ungenügend durchgeführte Denazifizierung.

Immerhin begann aber unter dem Einfluß unserer diplomatischen und propagandistischen Aktionen wenigstens im Westen ein allmähliches Umdenken in den österreichischen Fragen. Im Osten, wo die Lage noch wesentlich offener war — es sei nur an die Tschechoslowakei, Polen und Ungarn erinnert —, gelang es gleichfalls, die Meinung über Österreich günstig zu beeinflussen. Aber auch in einer Reihe von direkten Aussprachen mit der Sowjetunion konnte ein guter Teil der bestehenden Ressentiments abgebaut werden.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung