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GOLDA MElR / FRAU AM RUDER

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„Die israelische Regierung muß bei einer Besetzung Jordaniens durch ägyptischsyrische Truppen ernsthaft alle Sicherheitsprobleme prüfen, um die Unabhängigkeit und Freiheit des Landes zu gewährleisten.“ Diese schicksalschweren Worte sagte eine Frau, die kürzlich in London eintraf und dort, wie in Paris und Rom, für den Gedanken wirbt, die Vereinten Nationen wögen eine neue internationale Garantie für die Grenzen Israels aussprechen. An dieser Garantie hängt sehr, sehr viel, denn obwohl Israel militärisch zweimal siegreich war, hängt die ständige Drohung Nassers, er werde Israel auslöschen, doch wie ein Damoklesschwert über dem kleinen Staat, dessen Außenminister in dieser Krisenzeit Frau Golda Meir ist.

Am 3. Mai 1898 wurde sie als Golda Mabowitz in Kiew geboren. 1906 wanderte die Familie, um den Pogromen zu entgehen, nach den Vereinigten Staaten aus, wo der Vater in Milwaukee als Tischler arbeitete, die Mutter als Gemüsefrau. Sie studierte Philologie und wollte Lehrerin werden. Sehr früh kam sie zur zionistischen Arbeiterbewegung. Aber der Zionismus in Amerika konnte sie auf die Dauer nicht befriedigen. Daher wagte sie 1921 — sie hatte vier Jahre vorher einen Gesinnungsgenossen Morris Myerson geheiratet — eine zweite Auswanderung, diesmal nach Palästina. Sie begann dort' als Arbeiterin in einem „Kibbutz“, einer für das Land typischen Kollektivfarm. Drei Jahre lang betrieb sie tagsüber Hühnerzucht und nachts Sprachstudien. Bald begann ihre politische Karriere, deren viele Stationen aufzuzählen beinahe unmöglich ist. Sie stand in der Nähe Ben Gurions, den sie schon bewunderte, als er hoc'* David Grien hieß und als junger Mann in Wisconsin Vorträge gehalten hatte. Zwischen ihr und dem heutigen Premier Israels ist tatsächlich vieles Gemeinsame. Beide waren seit Anbeginn von dem Glauben an Israel erfüllt, der 1948 Wirklichkeit wurde, und beide sind von unermüdlichem Arbeitseifer beseelt, ohne den man in der großen Politik nur wenig erreicht.

Frau Golda Meir (sie ließ den eigentlich jiddischen Namen Myerson hebräisieren) ist eine imposante Persönlichkeit. Sie war nie „schön“ in jenem herkömmlichen Sinn, aber auch nie weiblich-kokett. Dafür ist die mütterlich Wirkende (der Sohn ist Cellist im Israel-Symphonieorchester, die Tochter in der Verwaltung tätig) und einfach Gekleidete eine Frau von hohem Verstand und eine glänzende Rednerin, die es versteht, sowohl die Massen hinzureißen als auch den Politiker durch ihre glasklare Beweisführung zu überzeugen.

1949 war sie als erste Gesandtin ihres jungen Staates in Moskau tätig. Als sie damals der Synagoge einen Besuch abstattete, kam es zu einer spontanen Kundgebung der jüdischen Bevölkerung in Moskau, was Stalin als „Illoyalität“ auslegte und durch Verschickung von hunderten Juden rächte.

Nach ihrer Rückkehr übernahm sie das Ministerium für Arbeit und Wohnungsbau, um schließlich im Juni 1956 von Ben Gurion mit dem Außenministerium als Nachfolgerin Moshe Sharetts betraut zu werden. Sie hat nicht die „Appeasement-Politik“ ihres Vorgängers fortgesetzt, sondern die härtere Ben Gurions.

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