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Im Kampfe um Österreichs Freiheit

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LEBEN UND WIRKEN ERZHERZOG JOHANNS. X. Band, 2. Lieferung. Von Viktor Theiss. (Forschungen zur geschichtlichen Landeskunde der Steiermark; herausgegeben Ton der Historischen Landeskommlsslon für Steiermark, XVII. Band.) Verlag der Historischen Landeskommission für Steiermark, Graz, S. 181—353, Anhang S. 355—898, fünf Bilder. Übersichtskarte Uber den Feldtug Erzherzog Johanns Im Jahre 1809. Das „steirische Gedenkjahr 1959” schenkte uns eine Reihe wichtiger Publikationen über den unvergeßlichen Erzherzog Johann. Das bedeutendste Werk stellt die lange erwartete grundlegende Biographie von Viktor Theiss dar, der als langjähriger Bearbeiter und Retter des vom zweiten Weltkriegs schwer getroffenen Erzherzog-Johann-Archivs von der Historischen Landeskommission für Steiermark beauftragt wurde. Die 1960 erschienene erste Lieferung (176 Seiten, 6 Bildtafeln) handelt um Kindheit und Jugend, während die vorliegende zweite Lieferung, womit der 1. Band abgeschlossen ist, dem Kampf um Österreichs Freiheit in den Jahren 1806 bis 1809 gewidmet ist. Erzherzog Johann war, wie der Verfasser kritisch nachweist, von der liberalen Geschichtsschreibung vielfach mißverstanden und falsch gedeutet worden, insbesondere in seinem Verhältnis zu seinem ältesten Bruder, dem Kaiser Franz. Selbst die in politischen und persönlichen Fragen bestehenden Gegensätze zwischen Erzherzog Karl und Johann haben ihr herzliches Verhältnis auf die Dauer nie zerstört. Freilich, die am Wiener Hof einander bekämpfenden Parteien und Personen haben den „steirischen Prinzen” bald tief enttäuscht. Trotzdem hält Johann an der immer mit Eifer vertretenen Idee einer weitere Kreise umfassenden Volksbewaffnung fest. Unter dem Einfluß seines Bruders Karl ließ er davon ab und trat für die Schaffung der österreichischen Landwehr ein; die gewaltigen Opfer dienten der Befreiung des Vaterlandes von der Fremdherrschaft und zugleich der Freiheit Europas. Den gegen Erzherzog Johann erhobenen ungerechten Vorwurf, er habe durch sein Verschulden den unglücklichen Ausgang der Schlacht bei Wagram herbeigeführt, kann der Verfasser durch die schon am 9. August übersandte, sehr ausführliche Verteidigungsschrift an den Kaiser entkräften. Er (Erzherzog Johann) entschuldigte darin sein verspätetes Eintreffen auf dem Schlachtfeld mit dem Hinweis, daß man ihn zuerst mit einer anderen Aufgabe betraut habe. Dies sei geschehen, obwohl man im Hauptquartier des Generalissimus seit zehn Tagen mit einem Entscheidungskampf auf dem Marchfelde rechnete. Erst in zwölfter Stunde habe man ihn zu Hilfe gerufen, und auch dieser Befehl sei verspätet eingelangt. Der tiefgekränkte Erzherzog legte diesem offiziellen Schreiben noch einen an den Kaiser persönlich gerichteten Brief (Anhang XLVII) bei, in dem er zur Wahrung seiner militärischen Ehre den Kaiser um eine strenge Untersuchung seines Verhaltens während jenes Zeitabschnittes bat… Diese Stelle beweist deutlich seine Liebe und Treue zu seinem Bruder Karl und widerlegt die immer wieder auftauchenden Mutmaßungen und Gerüchte, Erzherzog Johann sei aus Eifersucht auf seinen erfolgreichen Bruder zu der Entscheidungsschlacht bei Wagram absichtlich zu spät gekommen.

Der Kampf um seine Schuld oder Unschuld hat auch bis in die jüngste Zeit herein viele Militärschriftsteller und Historiker beschäftigt (S. 335 ff.).

Der gut sichtende und abwägende Verfasser kommt auf Grund der publizistischen Streitschriften und wissenschaftlichen Untersuchungen zu dem Ergebnis, daß ein früheres Eintreffen der Streitkräfte Erzher zog Johanns für den Ausgang der Schlacht von Wagram kaum von entscheidendem Einfluß gewesen wäre (Anm. 290, S. 334). — Diese Erkenntnis hindert aber den Verfasser nicht, feststellen zu müssen, daß der Erzherzog während des ganzen Feldzuges im Jahre 1809 mehrfach taktische Fehler bei der Führung seiner Truppen begangen hat, die für das Gesamtergebnis dieses Feldzuges nicht ohne ungünstige Wirkung geblieben sind. Jedenfalls kann man dem Erzherzog Johann zugute halten, daß die Sorge für seine Soldaten und das ihm anvertraute Kriegsmaterial im krassen Gegensatz zu dem rücksichtlosen Einsatz von Mann und Material durch die aus der harten Schule der Revolutionskriege hervorgegangen französischen Generäle stand, die durch den ehernen Willen der „europäischen Eroberungsbestie” eines Napoleon weitergetrieben wurden.

Der Heldenkampf Tirols 1809 und das bittere Ende hatten ihn schwer getroffen, insbesondere die harten Bedingungen des nach seiner Ansicht zu früh geschlossenen, unglücklichen Friedens von Schönbrunn. Und trotzdem tritt aber auch schon deutlich Johanns Absicht hervor, auch in Zukunft den Kampf für die Freiheit Österreichs nicht aufzugeben. Der Verfasser versteht es, strenge Wissenschaftlichkeit gemeinverständlich darzustellen. So ist der 1. Band weit über den Rahmen eines „steirischen Volksbuches” hinaus zu einem österreichischen geworden.

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