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Persönliche Erinnerungen von Kurt Strachwitz

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In den Jahren vor Ausbruch des ersten Weltkrieges fiel den ausländischen Besuchern Innsbrucks die sehr lebendige, elegante und unwahrscheinlich hochgewachsene Gestalt eines Generals auf, von dem sie nicht viel mehr wußten, als daß er ein kaiserlicher Prinz, ein Erzherzog war, Eugen mit Namen. Man konnte ihm fast täglich um die Mittagszeit auf der Maria-Theresien-Straße begegnen, wo er, von einem Adjutanten begleitet, den er um gut zwei Köpfe überragte, und auch im strengsten Winter ohne Mantel, im blanken Waffenrock, auf und ab zu gehen pflegte. Für die Einheimischen freilich, und zu denen durfte auch ich mich damals als frischgebackener „akademischer Bürger“ der Leopold-Franzens-Universität zählen, war „ihr“ Erzherzog nicht bloß eine ausnehmend dekorative Erscheinung. Sie schätzten seine stets gleichbleibende Freundlichkeit, die einer aufrichtigen Wärme des Herzens entsprang und keine Spur von Herablassung an sich hatte, und zugleich seine natürliche Würde, die Vertraulichkeiten ausschloß und jeden, der ihn persönlich kannte, unwillkürlich zwang, Distanz zu halten; und sie rechneten es ihm hoch an, daß er kein müßiger Dilettant war, der vornehmlich kraft seiner Zugehörigkeit zum Kaiserhaus den ungemein wichtigen Posten eines Kommandanten des 14. Armeekorps bekleidete, sondern ein militärisch begabter und äußerst gewissenhafter Offizier, der seine soldatischen Pflichten, von der Leutnantszeit angefangen, stets sehr ernst genommen hatte, unbeschadet seiner weitreichenden Interessen und seiner gründlichen Kenntnisse auch auf nicht-militärischen Wissensgebieten, wie namentlich auf den Gebieten der Geschichte und der darstellenden Kunst.

Diese Eigenschaften und Gaben und das verständnisvolle Mitgefühl, das er Menschen aller Stände und in allen Lebenslagen entgegenbrachte, erwarten dem Erzherzog eine außergewöhnliche Beliebtheit in den weitesten Kreisen. Sie zeigte sich auch im Kriege, als er das Kommando einer Heeresgruppe an unserer Südwestfront führte, nicht weniger als in den vorhergehenden Friedensjahren; und wie fundiert sie war, im Persönlichen wurzelnd und unabhängig von äußeren Umständen, erwiesen die oft rührenden Zeichen der Anhänglichkeit und Achtung, die ihm nach dem Umsturz während der Monate, die er in Wien verbrachte, ehe ihn die sogenannten Habsburgergesetze zum Verlassen der Heimat zwan gen, zuteil wurden. Auch im Exil war es die Persönlichkeit des Erzherzogs Eugen, die ihn binnen kurzem zum Gegenstand allgemeiner Liebe und Verehrung machten. Wer den Stolz und die Zurückhaltung der Bürger Basels allen Fremden gegenüber kennt, kann ermessen, was es bedeutete, daß sie in ihrem Bemühen wetteiferten, dem vertriebenen Habsburgerprinzen, „unserem Erzi“, wie sie ihn gerne nannten, ihre Stadt zu einer zweiten Heimat werden zu lassen. Ihr Bedauern, ihn nach fünfzehnjährigem Aufenthalt in ihrer Mitte scheiden zu sehen, war ebenso aufrichtig wie die Freude der Tiroler Bevölkerung, den Erzherzog nach so langer Trennung wieder im Lande zu wissen. In einem bescheidenen Häuschen in Igls bei Innsbruck hat er sein letztes Heim aufgeschlagen. Dort, umgeben von seinen geliebten Bergen und mit Hingabe betreut, hat er den Abend seines langen Lebens verbracht, in ausgeglichener Ruhe, heiter und in geistiger Frische, die seine zahlreichen Besucher immer wieder in Erstaunen versetzte; bis zu seiner letzten Stunde der wahrhaft adelige Mann, der getreue Ritter, würdig seiner Ahnen, der er zeitlebens gewesen war.

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