Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
Nach zwei Explosionen
Am 25. Juli wird über dem Bikini-Atoll ein zweites Experiment mit der Atombombe erfolgen. Sie soll in geringer Tiefe unter der Wasseroberfläche explodieren. Am 1. Juli war die erste in den stillen Frieden dieser pazifischen Inselgruppe gefallen.
Die technische Seite der Angelegenheit wird auch diesmal mit der gleichen Sorgfalt und Genauigkeit geprüft werden, die schon beim ersten Versuch zusammen mit einem imponierenden Raffinement instrumentaler Ausrüstung aufgewandt wurden. Man kann sich da auf die wissenschaftlichen und militärischen Fächleute verlassen. Das Sensationelle des Ereignisses wurde von der Weltpresse gebührend verwertet. Die politischen Aspekte betrachtet ein Spezialkomitee des Sicherheitsrates der UNO.
Die Expertisen haben ergeben, daß am 1. Juli die angerichteten Schäden — wie überraschend! — bei weitem nicht das erwartete Ausmaß erreichten. Und der Atombombenausschuß in New York registrierte eine starke Belebung der Debatten über das Ergebnis, wenn schon keine Einigung über die Form einer künftigen Atomenergiekontrolle.
Zwei Kardinalfragen aber wurden bisher unberücksichtigt gelassen: Es ist nämlich im Grunde unerheblich, ob die Atombombe ein Mittel zur Führung von Kriegen ist — wichtig ist die Klärung der Frage, ob sie ein Mittel zur Erhaltung des F r i e-A e n s werden kann. Von sekundärer Bedeutung ist ferner, ob der Atombombe eine größere oder kleinere Zahl von Schiffen standhalten kann — primär hingegen der Betracht, ob unsere Zivilisation sie überleben'wird,'wenn in einem neuen Krieg diese neue Waffe in größerem Maßstab als bisher angewendet werden sollte.
Die ganze tragische Problematik der Atombomfcenerfindung wird in dem Nein offenbar, das allein auf beide Fragen geantwortet werden kann. Nein — die Atombombe ist kein Mittel zur Erhaltung des Friedens. Vom Speer über Armbrust, Zünd-nadelgewehr, MG, Tank, Bombenflugzeug bis zum Raketengeschoß brachte noch jeder Krieg neue und fürchtbarere Waffen, als sie die Geschichte am Ende jedes gerade beendeten Völkerringens gekannt hatte. Dennoch griffen Tausende, Hunderttausende, Millionen immer wieder eben zu jenen neuen Waffen. Friedensliebe oder nur Friedensbereitschaft lassen sich nicht erzwingen. Auch mit Angst nicht.
Nein — unsere Zivilisation wird die Atombombe nicht überleben, sollte sie je, aus fliegenden Geschwadern in Massen abgeworfen, den geheiligten Boden des Abendlandes umzupflügen beginnen. Was von der christlichen Zivilisation nach diesem letzten Krieg verblieben ist, wird — vielleicht — gerade hinreichen, um noch einmal einen Rettungsversuch zum Erfolg werden zu lassen. Unendlicher Mühe und eines unanfechtbaren Glaubens wird dieser Versuch bedürfen.
Den Frieden wird die Atombombe nicht sichern und unsere Zivilisation würde ihr nicht widerstehen. Aber eines kann sie, eines muß sie tun: Ihre Explosion am 1. Juli 1946 und am 25. Juli 1946 nach der Geburt Christi ist wie nichts anderes bisher geeignet, das christliche Gewissen der Welt wachzu rütteln. Das christliche Gewissen, wachgerufen in den Völkern als Gesetz der christlichen Lebensform, der einzig dauerhaften Grundlage menschlicher Gemeinschaft — eben auch der Demokratie — ist es allein, das Frieden vermittelt und Frieden bewahrt.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!