6666756-1960_38_05.jpg
Digital In Arbeit

Noch einmal: „Bestrafter Fleiß?“

Werbung
Werbung
Werbung

Geehrte Redaktion!

Nach Meiner Rückkehr vom Urlaub las ich mit tiefer Befriedigung den Artikel „Bestrafter Fleiß“ in Ihrer Ausgabe vom 23. Juli. Es war an der Zeit, daß die ungerechte Behandlung der geistig Schaffenden einmal aufgezeigt wurde, und es ist nur zu bedauerlich, daß die großen Akademikerorganisationen bisher noch nichts getan haben, um dieses Unrecht zu beseitigen und klarzustellen, daß eine schriftstellerische Tätigkeit oder die Arbeit eines Wissenschaftlers, der in seiner Freizeit ein wissenschaftliches Werk schreibt, nicht gleichgesetzt werden darf mit zum Beispiet der Arbeit eines nebenberuflichen Vertreters. Mit der Forderung nach Amortisation der Studienkosten haben Sie ein interessantes und wichtiges Kapitel angeschnitten. Es wäre an der Zeit, daß die Finanzbehörden auf diese berechtigten Forderungen der Akademiker reagieren. Man soll die Geduld der Intellektuellen nicht überspannen und glauben, daß man ihre berechtigten Wünsche überhören kann, weil sie sich normalerweise nicht bereit finden, mit ihren Forderungen auf die Straße zu gehen.

Die von Ihnen aufgestellten Forderungen werden zweifellos von allen Intellektuellen, gleich welcher politischen Richtung, energisch unterstützt werden. W. P., Wien VII

Aus mehreren Zuschriften zu unserem Artikel „Bestrafter Fleiß“ haben wir den pben-stehenden Brief zitiert, weil er charakteristisch ist und gleichzeitg zeigt, wie tief das Gefühl der ungerechten Behandlung der Intellektuellen durch die Finanzbehörden verwurzelt ist und wie groß die Empörung darüber ist, daß die verschiedenen Standesorganisationen der Intellektuellen diese Probleme bisher praktisch nicht aufgegriffen haben.

Es ist tatsächlich, gelinde gesagt, erstaunlich, daß die Akademikerorganisationen der beiden Großparteien diese Probleme bisher noch nicht ernstlich aufgeworfen haben, obwohl sie alle Möglichkeiten dazu hätten und die Forderungen der Intellektuellen, die sicherlich kein die durch die niederen Honorare in unserem Land keineswegs abgegolten wird, und die funktionelle Bedeutung der schriftstellerischen Tätigkeit für das gesamte geistige Leben unseres Landes. Die formal richtige Einstellung der Finanzbehörden zur geistigen Leistung ist daher funktionell völlig falsch und muß revidiert werden. Eine solche Revision ist um so vertretbarer, als auch auf verschiedenen anderen Gebieten steuerliche Erleichterungen erfolgen, sofern sie im gesamtwirtschaftlichen Interesse liegen. Der Finanzminister hat also alle legalen Möglichkeiten, den steuerlichen Freibetrag für Einkünfte aus literarischer Arbeit zum Beispiel auf 10.000 Schilling jährlich zu erhöhen, was bereits eine fühlbare Erleichterung darstellen würde.

Das gleiche gilt auch für die Geltendmachung von Werbungskosten und Sonderausgaben. Auch hier werden die Intellektuellen formal gleich behandelt, obwohl die funktionellen Voraussetzungen ungleich sind. Eine Erhöhung des Pauschbetrages für Werbungskosten bzw. eine wesentliche Erleichterung bei der Geltendmachung dieser Kosten sowie eine Erhöhung der inoffiziellen Limits wären auch in diesem Fall absolut vertretbar und im Allgemeininteresse äußerst wünschenswert.

Anders ist die Lage jedoch bei der Amortisation der Studienkosten. Hier wird den Intellektuellen tatsächlich Unrecht getan, selbst wenn man sich auf den formaljuridischen Standpunkt der Finanzbehörden stellt.

Die Studienkosten belaufen sich, wie „Die Furche“ bereits dargelegt hat, unter Berücksichtigung des Verdienstentganges während der Studienzeit auf 100.000 bis 400.000 Schilling. Diese Beträge stellen echte materielle Investitionen dar, die, wirtschaftlich gesehen, die gleiche Bedeutung haben wie Investitionen in Form von industriellen Anlagen usw., da sie ebenso wie andere Investitionen für ein normales Wirtschaftsleben unerläßlich sind. Es ist ohne weitere Beweisführung einleüchtendi daß der besteingerichtete Betrieb ohne Ingenieure stillstehen müßte, ja daß dies**- iBeftieb> gar% nicht hätte gebaut werden können, wenn nicht qualifizierte Intellektuelle. Ingenieure, Architekten und andere, die Planung und den Bau durchgeführt und die benötigten Maschinen konstruiert hätten.

Über die eminente Bedeutung der Wissenschaft und der Forschung im Leben der Völker braucht im Atomzeitalter ebenfalls kein Beweis mehr geführt zu werden, weil sie augenscheinlich ist. Aber während nun jeder Gewerbetreibende und Industrielle selbstverständlich die durchgeführten Investitionen steuerlich abschreiben kann und darüber hinaus noch Steuerbegünstigungen für Investitionen erhält, gilt dies für die Investition des Studiums bis jetzt noch nicht. Der mögliche Einwand, daß die Amortisation wirtschaftlicher Investitionen nur als Ausgleich für die Abnutzung und Veraltung der Anlagen und zu deren Erneuerung gedacht sei, ist nicht stichhaltig, da auch jeder Intellektuelle sein Wis en ständig erweitern und dem neuesten Stand anpassen muß, wenn er bestehen will. Auch der Hinweis, daß der Staat ohnedies erkleckliche Summen zur Erhaltung der Hochschulen zuschießen müsse und daß die Studienbeiträge nicht kostendeckend seien und subventioniert werden müssen, bietet keine Rechtfertigung für die Nichtamortisation der Studienkosten, da ja auf sehr vielen Gebieten Subventionen bezahlt werden, die es keineswegs ausschließen, daß die davon begünstigten Wirtschaftskreise ihre investierten Kapitalien amortisieren und verzinsen können, wie zum Beispiel die Subventionen für unterentwickelte Gebiete und andere.

Es wäre also nicht nur funktionell, sondern auch formal nur gerecht, die Studienkosten als das zu betrachten, was sie sind, nämlich als wirtschaftliche Investitionen, und sie auch steuerlich als solche zu betrachten. Das Finanzministerium müßte in Zusammenarbeit mit allen interessierten Stellen wie Akademikerorganisationen, Rektorenkonferenz, Hochschülerschaft usw. die durchschnittlichen Studienkosten ermitteln und normale Abschreibungssätze errechnen, die dann automatisch gegen Studiennachweis auf den Lohnsteuerkarten als Steuerfreibetrag vermerkt bzw. bei Einkommensteuererklärungen angesetzt werden können.

Eine rechtzeitige Aktion der Akademikerorganisationen könnte es erreichen, daß diese Probleme noch bei den diesjährigen Budgetverhandlungen zur Sprache kommen könnten.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung