Brief an den lieben Gott

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Du hast uns - Männlein und Weiblein - geschaffen, und wenn man der Bibel glauben darf, dann nach Deinem Ebenbild. Das läßt mich hoffen, denn wenn ich mir zur Zeit die Umgangsformen zwischen den Geschlechtern anschaue, dann überfällt mich hilflose Ohnmacht, und ich muß all meinen kindlichen Glauben zusammennehmen, daß mir die Hoffnung auf: " Der Papa wird's schon richten" nicht verloren geht.

Als Optimistin sehe ich den Umgang mit Macht und Ohnmacht wie wir ihn jetzt pflegen, als Übergangslösung zur Weiterentwicklung der Menschen, denn aus nichts kann man soviel lernen wie aus Fehlern.

Zur Zeit bewegen zwei Ereignisse unsere Gemüter, in Amerika ist es die Causa um Präsident Bill Clinton, in Österreich um Kardinal Groer. Was haben diese beiden Fälle gemeinsam? Du weißt es, es ist der unnatürliche Umgang mit Macht und Sexualität. Bitte glaube mir, diese Beispiele sind von unserem Alltag nicht soweit abgehoben, wie manche denken mögen. Schauen wir uns doch in unserem unmittelbaren Umfeld um, zum Beispiel das tägliche Verhalten am Arbeitsplatz, in der Schule, in der Kirche, in der Politik und so weiter.

Hier gibt es Vorgesetzte und Untergebene, und je nach Charakter wird Macht ausgeübt und Ohnmacht gelitten. Die Macht liegt vordergründig bei den Vorgesetzten, und je nach Persönlichkeitsprofil wird sie eingesetzt.

Ist der Chef (hier muß ich leider beim männlichen Geschlecht bleiben, da dieses Verhalten noch immer viel häufiger bei diesem geschieht, und auch unser "Aufhängerthema" durch Männer hervorgerufen wurde ) ein "Machotyp", wird er sich besonders weiblichen Untergebenen gegenüber fordernd und herablassend verhalten, und hier kommt es auch zu den berühmten "Grabschern".

Der väterliche Typ ist je nach Charakter fördernd ("Das haben Sie gut gemacht") oder herablassend (So nach dem Motto: "Na du kleines Dummerl").

Hilflos ausgeliefert scheint man aber jenen Vorgesetzten gegenüber zu sein, die bei tieferer Betrachtung ein geringes Selbstwertgefühl haben und diesen Mangel durch besonders forsches, ja bisweilen aggressives Verhalten kompensieren. Sie glauben, Stärke zu zeigen durch Schreien und Schimpfen, wobei sie auch vor Kraftausdrücken (Trottel oder Trampel nicht selten sind) nicht zurückscheuen. Es kommt ihnen dabei gar nicht in den Sinn, daß sie die Persönlichkeit der anderen dabei herabwürdigen. Oder steckt sogar Absicht dahinter? So schlimm es klingt, aber gegen dieses Verhalten kann man Mechanismen entwickeln, da es ja einschätzbar ist.

Ohnmacht zeigt sich bei intrigantem Verhalten, hier ist man wirklich hilflos. Liebenswert, freundlich ins Gesicht, beschuldigend, verleugnend im Rücken. Das sogenannte "Mobbing" ist die Machtausübung oft der "Kleineren und Schwächeren". In jedem dieser Fälle wird Angst erzeugt, überhaupt bei der momentanen Wirtschaftslage, wo kaum ein Arbeitsplatz sicher ist.

Oh, lieber Gott, laß uns ehrlich und offen unsere Bedürfnisse und Beweggründe erkennen und sie natürlich leben, hilf uns, zu akzeptieren und akzeptiert zu werden, zeig' uns wieder, was Würde heißt, damit wir auch wieder würdige Vorbilder haben, dann ist Macht als Mittel zur Unterdrückung und fehlgeleitete Sexualität - besonders abhängigen Personen gegenüber, wie Untergebenen, Kindern, Partnern und Schülern - nicht mehr notwendig.

So leicht wäre es, glaubt Deine, von der Entwicklung des "homo sapiens" überzeugte . Christine Hill Die Autorin ist Geschäftsführerin und Managementberaterin von Hill International, Wien.

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