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Die Hoffnung stirbt zuletzt

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Bei den Parlaments- und Kommunalwahlen im März erreichten die linken Parteien Stimmengewinne. Die kirchliche Situation ist in den Augen des El-Salvador-Kenners Martin Maier durch eine Wende in die andere Richtung gekennzeichnet.

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Bei den Parlaments- und Kommunalwahlen im März erreichten die linken Parteien Stimmengewinne. Die kirchliche Situation ist in den Augen des El-Salvador-Kenners Martin Maier durch eine Wende in die andere Richtung gekennzeichnet.

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DIKFURCHE Fast auf den Tag genau vor 17 Jahren wurde ErzbischofRömern in San Salvador ermordet Ist sein Zeugnis noch lebendig?

martin MaikR: Rrzbischof Romero hat selbst gesagt: „Wenn sie mich umbringen, werde ich im salvadoriani-schen Volk auferstehen.” Diese Voraussage hat sich erfüllt: Er lebt im Herzen seines Volkes. Man findet in den Hütten der Campesinos seine Bilder, der Jahrestag seiner Ermordung wird landesweit begangen - mit Prozessionen, mit Gedenkgottesdiensten.

DIKFURCHE 1992 wurde zwischen der Regierung El Salvadors und der Guerilla ein Friedensabkommen geschlossen War die Kirche darin involviert? mairr: Bei der Einleitung des Friedensprozesses spielten der damalige Erzbischof von San Salvador, Arturo Rivera y Damas, der 1994 verstorben ist, und sein Weihbischof Gregorio Rosa Chavez entscheidende Rollen.

DIKFURCHE: Haben die Friedensverträge gehalten?

MA1KR: Teilweise. Es gibt heute mehr politische Freiräume. Die frühere Guerilla hat vor drei Jahren ein Viertel der Parlamentssitze gewonnen und jetzt bei den Wahlen vom 16. März kräftig zugelegt. Das Parteienspektrum deckt erstmals in der Geschichte El Salvadors das gesamte politische Spektrum ab. Die Armee ist im großen und ganzen in die Kasernen zurückgekehrt. Allerdings wurde sie nie gesäubert, wie das die Friedensverträge verlangen. Ein anderes Problem ist die Frage der Reformen angesichts der sozialen Ungerechtigkeit. Da ist sehr wenig geschehen, und die Regierung setzt ein extrem neoliberales Wirtschaftsprogramm um. Soziale Ungerechtigkeit war aber die Wurzel des Bürgerkriegs. Die eigentlichen Probleme sind also nicht gelöst.

DIEFurche: Ein weiterer Markstein in der Leidensgeschichte des Landes war 1989 die Ermordung der sechs Jesuiten und zweier Frauen an der Universität von San Salvador.

MAIKR: Auch meine sechs Mitbrüder und die Frauen, die mit ihnen umgebracht wurden, sind im Volk auferstanden: Es gibt inzwischen sogar

Städte, die nach ihnen benannt sind: Ciudad Ignacio Ellacuria, Ciudad Se-gundo Montes ... Auch ihre Bilder hängen in Wohnungen, und es gibt an ihrem Todestag eine Nachtwache, wo Tausende aus dem ganzen Land auf den Campus der zentralamerikanischen Universität UCA kommen.

DIKFURCHE Wie steht es mit dieser Universität, in der die Jesuiten nach wie vor unterrichten?

MAIER: Die Jesuiten haben sich 1974/75 in ihrer Generalkongregation als Programm den Einsatz für die Verkündigung des Glaubens in Verbindung mit dem Einsatz für Gerechtigkeit gestellt. Das leitet die UCA. Mein ermordeter Mitbruder Ellacuria sagte einmal, die UCA möchte wissenschaftlich das sein, was Erzbischof Romero pastoral war: Stimme derjenigen, die keine Stimme haben.

diefurche Von befreiungstheologischen Ansätzen ist in Europa zur Zeit wenig zu hären.

Maier: Das stimmt so nicht. Die Theologie der Befreiung wird es so lange geben, als es Ungerechtigkeit und Unterdrückung gibt. Bichtig ist, daß sie sich weiterentwickelt: Man erkannte etwa, daß der sozioökonomische Ansatz zu kurz greift. Es gibt auch Formen von kultureller Unterdrückung der Indios, der Afroamerikaner. Neues Thema innerhalb der Theologie der Befreiung ist auch die Benachteiligung der Frauen, derzeit wird die Ökologie immer wichtiger.

diefurche: Die Theologie der Befreiung wirkt zur Zeit nicht als eine der großen Inspirationen der Weltkirche. Mai ER: Ja, aber ein Stück weit sind Kerngedanken der Theologie der Befreiung in andere Theologien schon eingegangen, auch in die kirchliche Sozialverkündigung. Im Zentrum steht ja die Grundentscheidung für die Armen, und die Theologie der Befreiung ist eigentlich nichts anderes als eine Theologie, die von dieser Option aus Theologie treiben möchte.

dieFurche Welche Rolle spielt die Kirche in El Salvador jetzt? MAIER: Im Mai 1995 wurde Fernando Saenz Lacalle zum Erzbischof von San Salvador ernannt: Da ist ein Bruch eingetreten. Saenz, der dem Opus Dei angehört, hat von Beginn an erklärt, Kirche und Priester dürften sich nicht in politische Dinge einmischen. Er übte Druck auf Ordensobere aus, ihre jungen Mitglieder nicht mehr zum Theologiestudium auf die UCA zu schicken. Er hat auch die Weihe von zwei jungen Ordenspriestern in der Universitätskapelle - an den Gräbern der ermordeten Jesuiten - verboten.

In einem Vortrag definierte Saenz die Theologie der Befreiung als „Bel-ecture des Evangeliums unter marxistischem Schlüssel”. Er sagte, sie führe notwendig zu Klassenkampf und Gewalt. Das in einem Land zu behaupten, wo mit den sechs Jesuiten bedeutende Vertreter der Theologie der Befreiung grausam ermordet wurden, ist schwerwiegend.

diefurche: Die Kirche unter Romero und Riveray Damas war für die Stimme im Kampf gegen Unrecht bekannt...

Maier: ... da gab es die feste Tradition in .der Sonntagsmesse des Erzbi-schofs, nach der Predigt zu Vorfällen der vergangenen Woche Stellung zu nehmen. Der Erzbischof hat sich zu Menschenrechtsverletzungen geäußert, zu sozialen und politischen Fragen: Das war wichtig, weil es ja während des Bürgerkriegs kaum andere Möglichkeiten gab, die Dinge öffentlich zu machen. Erzbischof Saenz hat mit dieser Tradition gebrochen. Auch sonst nimmt er als kirchlicher Oberhirte zu politischen Fragen kaum Stellung.

diefurche: Was ist mit dem kirchlichen Menschenrechtsbüro in San Salvador, das wesentlich an der Aufklärung von VErbrechen beteiligt war? MAIER: Das ist ein anderer gravierender Einschnitt. Die langjährige Leiterin bestätigte mir, der Erzbischof habe die Anweisung gegeben, sich nicht mehr öffentlich zu Wort melden.

diefurche Wie reagieren die Gläubigen in dieser Situation? MaIER: Im Jänner hat Saenz, der auch Apostolischer Administrator im Amt des Militärbischofs ist, die Ernennung zum General angenommen. Es ist für mich völlig unverständlich, daß er sich von der Armee befördern läßt, aus deren Beihen die Mörder von Erzbischof Bomero und der sechs Jesuiten hervorgegangen sind. Hier zeigte sich starker Widerspruch der kirchlichen Basis: Gruppen von Laien haben offene Briefe geschrieben, es wurde ein Protestfasten veranstaltet. In der salvadorianischen Kirche wird die Kurswende nicht einfach hingenommen.

DIKFURCHE Sehen Sie also eine Spaltung in der Kirche El Salvadors? MAIKR: De facto ja. Die Kirche ist auch Spiegel der Gesellschaft: Auch die Gesellschaft El Salvadors ist gespalten.

DIKFURCHE Gibt es Hoffnungen? Mai ER: Die Hoffnung sind die Menschen selber. Erzbischof Bomero hat einmal gemeint, mit diesem Volk sei es nicht schwer, ein guter Hirtezu sein. Weihbischof Rosa Chavez von San Salvador, der auch im Konflikt mit FJrzbischof Saenz steht, sagte mir, seine Hoffnung sei mit dem Volk verbunden, das seinen Weg geht und die Hoffnung nicht aufgibt. Ein lateinamerikanisches Sprichwort lautet: Die Hoffnung stirbt zuletzt.

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