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Flügel über 1000 Meilen

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Pakistans Staatsgebiet wurde durch das indische Territorium in zwei Flügel über 1000 Meilen — eine Entfernung etwa wie von Frankreich bis Rumänien — von einander getrennt, aber dies kann nicht verhindern, daß sich Pakistan zu einem geachteten Staatswesen mit entschlossenen Lebenswillen und genügender Existenzfähigkeit entwickelt hat. Keine der Weltmächte kann Pakistan nicht den Hof machen, und wer hier in dieser Gegend einen Fehlschritt täte, würde den Weltfrieden ernstlich beeinflussen. Der Großbrand von Kaschmir 1965, der zu einem offenen Krieg zwischen Pakistan und Indien führte, sei hier als Beweis zu erwähnen. Die Kaschmirfrage und die Beziehungen zu Indien bestimmen heute noch die Außenpolitik Pakistans.

Der offiziellen Auffassung Pakistans zufolge umfaßt die Außenpolitik Rawalpindis folgende Hauptpunkte, die der Aufmerksamkeit wert sind:

Erstens der Wunsch Pakistans, seine Unabhängigkeit und Sicherheil zu bewahren.

Zweitens das Bestreben, den Lebensstandard des Volkes zu heben und einen Wohlfahrtsstaat aufzubauen.

Drittens die Eigenart, das Brauchtum der pakistanischen Lebensweise zu erhalten.

Viertens die Freundschaft aller Länder der Erde zu gewinnen, unabhängig von ihrer Hautfarbe, ihrem Glaubensbekenntnis oder ihrer Ideologie.

Fünftens den Frieden und die Stabilität in der Welt zu bewahren.

Sechstens die Herstellung des Gleichgewichts zwischen Pakistan und „jenen Mächten, die an der Unabhängigkeit und Existenz Pakistans rütteln und mit seinem Dasein nicht zu versöhnen sind“.

Wir sehen, daß das Schwergewicht eben im letzten Punkt liegt. Das Gleichgewicht zwischen Pakistan und Indien — das im Punkt 6 gemeint ist — sei also das heiligste Prinzip der pakistanischen Außenpolitik. Nach der großen Wandlung der Weltpolitik seit einigen Jahren geht Pakistan außenpolitisch eigene Wege, die dem Grundsatz, wie im Punkt 1 verkündet wurde, entsprechen. Pakistans Beziehungen zur SEATO und dem Westen haben sich wesentlich abgekühlt, der Grund ist auch hauptsächlich im Punkt 6 zu suchen.

Statt CENTO strebt Pakistan nunmehr zu einer regionalen Zusammenarbeit mit dem Iran und der Türkei, die allen Bedingungen nach Pakistan sehr ähnlich sind. Am 20. Juli 1964 beschlossen diese Drei in Istanbul, eine Organisation zur Förderung der regionalen Zusammenarbeit, die RCD (Regional Cooperation for Development), deren Hauptquartier in Teheran stationiert, ist, zu gründen. Dieser „Istanbul-Pakt“ oder diese „Teheran-Allianz“ ist anfangs reim kulturell und wirtschaftlich gewesen. Aber diese internationale Genossenschaft kann sich doch langsam auch zu einem politischen sowie außenpolitischen Bündnis entwickeln. Da Pakistan von gewaltigen Nachbarn — Rußland, China und Indien — umgeben ist, kann es die Haltung dieser „großen Drei“ — besonders die ersten zwei — natürlich nicht außer acht lassen, denn „kein Volk kann in einer wechselhaften Welt einer bewegungslosen und starren Außenpolitik folgen.“ Die Beziehungen Pakistans zu den zwei kommunistischen Großmächten seien daher auch so zu verstehen. Bemerkenswert ist die Tatsache, daß der „Geist von Taschkent“ vom April 1966 nicht nur die Niederlage der chinesischen Kriegspolitik unter Beweis gestellt hat, sondern vor allem die Einflußnahme der UdSSR auf Pakistan und Indien.

Pakistan verfügt über acht bis zehn Divisionen, einschließlich zwei Panzerdivisionen, dazu 400 Kampfflugzeuge — eine Schlagkraft ungefähr genau so stark wie die der indischen Armee. Doch hat Pakistan wesentlich weniger Geld für militärische Zwecke ausgegeben als Indien. Wirtschaftlich hat Pakistan seit der Machtübernahme 1958 durch den jetzigen Staatspräsidenten Feldmarschall Mohammed Ayub Khan gute Leistungen erzielt. Das Brutto-nationalprodukt ist 1964 bis 1965 im Vergleich zu 1957 bis 1958 um 36 Prozent gestiegen. Der Bevölkerungszuwachs beträgt 2,6 Prozent pro anno und stellt daher ein ernstes Problem dar. Durch die bereits durchgeführte Landreform hofft Pakistan, der Lebensmittelknappheit entscheidend entgegenzutreten. Als eine der Verbesserungsmaßnahmen für die Infrastruktur wurden 1961 zwei Universitäten für Landwirtschaft jeweils in Mymensingh und Lyall-pur in Ost- und Westpakistan gegründet. Die zu starke Wassersaugfähigkeit und Salzhaltigkeit des Bodens, der Feind Nr. 1, wird durch einen Zehnjahresplan bekämpft. Ein anderes Aufbauproblem ist die wirtschaftliche Ungleichheit zwischen West- und Östpakistan, ähnlich dem Unterschied zwischen Nord- und Süditalien. Zur Lösung dieser Frage wurden verschiedene Maßnahmen von der Zentralregierung in Rawalpindi ergriffen.

Während Indien „immer eine schwere Last der Menschheit gewesen ist“, wie ein Hongkonger Schriftsteller festgestellt hat, meisterte Pakistan seine Schwierigkeiten und wird es auch weiterhin tun.

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