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Albertina und Akademie

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Die Albertina bringt unter dem — vielleicht etwas mißverständlichen — Titel „D i e großen Primitiven“ eine wunder-derbare, eine unübertreffliche Ausstellung kostbarster graphischer Werke aus den Anfängen des Holz- und Metallschnitts im XV. Jahrhundert, dem „heroischen Zeitalter der Druckgraphik; wie heute, so waren es auch damals Österreich und Süddeutschland, welche die bedeutendsten Graphiker hervorbrachten — der salzburgische „Meister des Pariser ölberges“ um 1400 ist einer der ersten und nach ihm reißt die Reihe großer Meister nicht mehr ab: der Meister der Spielkarten, der Meister E. S., Martin Schongauer... welch ein Geist, der da auf handtellergroßen Papieren und in nie zuvor erprobten Techniken eine unerschöpfliche Fülle innerer Gesichte festzuhalten verstand! Welch ein Reichtum in der Einfachheit, welche Monumentalität in der Kargheit des Materialaufwands! Es ist wahr, hier können sich unsere Modernen, deren unvermeidliches Schicksal es ist, mit nichts außer dem guten Willen anfangen zu müssen, guten Mut holen — freilich auch die Erkenntnis, daß am Beginn einer neuen Kunst meistens der Geist und nicht die Form steht; eine Erkenntnis, die so alt und bekannt ist, daß sie bisweilen leider schon wieder als Banalität abgetan Wird...

Es gibt wirklich gewisse Dinge, die „man gesehen haben muß. Diese Albertina-Ausstelfung gehört zu ihnen.

Die Akademie der bildenden' Künste hat es sich Mühe kosten lassen, ihre diesjährige Schülerausstellung so großzügig und eindrucksvoll wie nur immer möglich aufzuziehen. Ihr Gebäude ist vom Erdgeschoß bis zum dritten Stock ein Aus-stellungshaus geworden: In de großen Schausälen sind die ausgesuchten und zum Teil mit Preisen bedachten Arbeiten der Schüler, in den Ateliers der einzelnen

Meisterschulen ihre nur durchschnittlichen und sozusagen schulgerechteren Leistungen zu sehen. Man macht dem Interessierten also nichts vor, läßt ihn nicht bloß einen Blick auf Vorzugsschülerarbeiten tun, sondern gewährt ihm Einblick auch in Art und Erfolg des mühseligen alltäglichen Lehrens und Lernens. Man ist ehrlich.

Und das sind auch die Arbeiten der Akademiker. Manche unter ihnen sind talentiert, manche bemerkenswert, manche mittelmäßig — aber alle in tiefstem Ernst und aus einer Gesinnung entstanden, die in einem fast übertriebenen künstlerischen Purismus auch auf den kleinsten nur oberflächlichen Effekt verzichtet. Das stellt man vor den Bildern der Gütersloh-Klasse — Fritz Martinz, Werner Augustiner und Hedwig Wagner stechen in ihr hervor — ebenso fest wie in der Schule Prof. Dobrowskys oder Prof. Andersens, in welch letzterer Gerti Kropik so auffällt, wie Fritz Fischer in der Pauser-Schule. Die Graphikschule Prof. Martins beweist auch in diesem Jahr wieder ihr stupendes technisches Können, die Meisterschule Wotrubas besitzt einen verblüffenden Reichtum an experimentierfreudigen Begabungen, von denen insbesondere Heidi genannt sei, während die Architekturschüler der Professoren Holzmeister und Welzenbacher Pläne einfallsreich-zeitgemäßer Bauten ausstellen, wie sie — leider — bei uns meist auf dem Papier zu bleiben verdammt sind. Aber wozu viele Namen nennen, wo eigentlich der Durchschnitt und die Ubersicht zählen? In jeder Klasse wird ernsthaft gearbeitet, in keiner herrscht muffige Luft, durch alle weht ein frischer Wind, der vor fader Selbstgenügsamkeit und schläfriger Lehrhaftigkeit schützt. Daß die Kunstakademie — dies der einzige Einwand, der sich in dieser Schülerausstellung aufdrängt — offensichtlich wie alle anderen Hochschulen unter dem zu großen Andrang Studierenwollender zu leiden hat, steht auf einem anderen Blatt.

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