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Die Bibliothek des Enkels

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Aus den Erinnerungen eines Sammlers. Nebst einem Verzeichnis seltener und interessanter Bücher von Hofrat Univ.-Prof. Dr. Wolfgang v. Wurzbach. Walter-Krieg-Verlag, Wien-Bad-Bocklet-Zürich 1953. Manuskript-Druck in einer Auflage von 350 numerierten, vom Verfasser signierten Exemplaren. 231 Seiten mit drei Bildtafeln. Oktav

Bei Hofrat Prof. Dr. Wolf gang v. Wurzbach bewahrheitet sich das Goethesche Wort „Was du ererbt von deinen Vätern hast, erwirb es, um es zu besitzen“ in mehr als einer Hinsicht. Als Enkel Constant v. Wurzbachs, des Herausgebers des sechzigbändigen „Biographischen Lexikons des Kaisertums Oesterreich“, und Sohn Alfred v. Wurzbachs, des Verfassers des dreibändigen „Niederländischen Künstlerlexikons“, Erbe eines berühmten Namens, mehrte er dessen Glanz noch durch hervorragende eigene Verdienste, die er sich während seiner sechsund-dreißigjährigen Lehrtätigkeit an der Wiener Universität als Ordinarius für romanische Sprachen und Literaturen erwarb. Einen großen Teil seiner Lebensarbeit widmete er der spanischen Dichtung, indem er von Lope de Vegas Komödien und Calderons Dramen deutsche Uebersetzungen herausgab und von CerVantes Don Quixote eine kritische Ausgabe des Originaltextes veranstaltete. Die französische Literaturgeschichte bereicherte er

durch eine Edition der Werke Maistre Francois Villons und eine Geschichte des französischen Romans, die Germanistik dankt ihm eine ausführliche Biographie Gottfried August Bürgers und eine vierbändige Gesamtausgabe seiner Schriften. Aber seine Vorfahren haben ihm als weitere Erbschaft auch die Leidenschaft des Sammeins hinterlassen, der er schon frühzeitig Tribut zollte. Die von seinem Vater und seinem Großvater mütterlicherseits Josef Ritter von Lippmann-Lissingen erworbenen wertvollen niederländischen Gemälde zieren noch heute die Wände seiner Wohnung, die väterliche Bibliothek, die nicht nur eine Fülle kunsthistorischer Werke, sondern auch Material zur Geschichte der Karikatur (Gavarni) und des englischen Theaters des 17. und 18. Jahrhunderts erhielt, begann er bereits als angehender Romanist durch den Ankauf alter snanischer

italienischer und französischer Bücher auszubauen und derartig zu erweitern, daß sie gegenwärtig mit ihren 7000 Bänden 24 große Kasten füllt. Daneben legte er eine Porträtsammlung an, die sich mit rund 100.000 Stücken den großen öffentlichen Sammlungen dieser Art würdig an die Seite stellt und durch etwa 1000 Autographen historischer ■ Persönlichkeiten ergänzt wird. Aus der Vorliebe für Josef Kriehubers Bildnislithographien erwuchs ein Katalog der von ihm lithographierten Porträts, der 1902 bei Hugo Helbing in München erschien. In den letzten Jahren vervollständigte Wurzbach dieses Verzeichnis durch die Biographien aller von Kriehuber Porträtierten und schuf damit ein unschätzbares Repertorium der österreichischen Gesellschaft des Vor- und Nachmärz, dessen baldigste Drucklegung äußerst erwünscht wäre. Das Interesse an der Medaille ließ eine zirka 10.000 Stücke umfassende Kollektion von Medaillen, Plaketten und Jetons entstehen, deren mit wissenschaftlicher Akribie gearbeiteter, als Nachschlagewerk sehr geschätzter Katalog in zwei stattlichen Bänden 1943 im Wiener Amalthea-Verlag herauskam. Ein gütiges Geschick und die in diesem Falle gerechtfertigte Abneigung gegen das „Bergen“ haben diese Schätze durch alle Kriegswirren hindurch bis zur Gegenwart unversehrt erhalten, und so ist es ein höchst dankenswertes Unternehmen, wenn uns Prof. v. Wurzbach

in seinen „Erinnerungen eines Sammlers“ Einblick in diese so erfolgreiche Seite seiner Tätigkeit gewährt.

Haben wir uns am Eingang dieser Zeilen auf ein Zitat aus Goethes „Faust“ I. Teil berufen, so möchten wir am Schlüsse noch an ein Wort Mephistos im II. Teil des „Faust“ erinnern, das da lautet: „Wie sich Verdienst und Glück verketten, das fällt den Toren niemals ein; wenn sie den Stein der Weisen hätten, der Weise mangelte dem Stein.“ Wohl berichtet uns Wurzbach in einem amüsanten Eingangskapitel von Fällen sogenannten „Sammlerglückes“, das auch ihm nicht selten lächelte. Allein dieses Glück kann nur derjenige ausnützen, der im Besitz des nötigen Wissens ist, um den „Stein der Weisen“ auch in unscheinbarster Umgebung zu erkennen. Der Nicht-Weise, das heißt der „Nicht-Kenner“, geht achtlos an ihm vorüber. Wurzbach, der profunde Kenner auf vielerlei Gebieten, hat auf seinen vielen Reisen immer wieder solche literarische „Edelsteine“ in den verstaubtesten Läden entdeckt und seinen Sammlungen um einen Spottpreis einverleibt. Im Mittelpunkte seines Sammlerberichtes steht seine Bibliothek, deren Kostbarkeiten in einer katalogähnlichen Aufzählung kennenzulernen eine ungemein lehrreiche Lektüre bildet.

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