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Ein hartes und finsteres Volk

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KARTHAGO — AUFSTIEG UND UNTERGANG EINER ANTIKEN WELTSTADT. Von B. H. Warminston. Aus dem Englischen übersetzt Ton Paul B a u d i s c h. Verlag F. A. Brockhaus, Wiesbaden. 1963. 258 Selten, mit Anhang. Preis 16.80 DM.

B. H. Warmington gehört der jüngeren Generation englischer Althistoriker an; sein Studium und seine Karriere nahmen ihren Ausgang nach dem zweiten Weltkrieg von der Universität Cambridge. Heute ist er als Professor für Alte Geschichte an der Universität Bristol tätig.

Wie in angelsächsischen Ländern üblich, hatte der Gelehrte bereits in jungen Jahren Gelegenheit, mit eine größeren Publikation vor die Öffentlichkeit zu treten. Ohne Hemmungen und ohne Scheu vor einer etwa zu großgesteckten Aufgabe wagte er sich an ein schwieriges Thema heran.

Das vorliegende Werk, eines der vielen archäologischen und althistorischen Fachbücher, die die Verleger der Bundesrepublik aus Mangel an deutschen Originalbeiträgen auf den Markt bringen, weist Vorzüge und Nachteile eines jungen Gelehrtentalentes auf. (Die Ausbildung des deutschen Nachwuchses auf dem Gebiet der Alten Geschichte und Archäologie wurde zwischen den Jahren 1933 und 1945 zu Gunsten einer germanisch-deutsch orientierten Vor- und Frühgeschichtsforschung hintangesetzt.) Der Autor hat den berechtigten Wunsch, sein bis ins kleinste Detail gehendes Wissen um die Geschichte der Karthager, die im 8. Jahrhundert vor Christus aus Phönikien ausgewandert sind, entsprechend zu verwerten. Diesem Bestreben steht der Mangel eines gestrafften Konzeptes gegenüber, das in flüssigem Stil den Gang der historischen Ereignisse klar und allgemein verständlich zur Geltung bringen könnte.

In neun Kapiteln behandelt Warmington die Gründung der phöniki-schen Kolonie als Emporium (Handelsplatz und -Stützpunkt) an der nordafrikanischen Küste, unter Verwertung antiker Berichte, Mythologien und Legenden, aber auch einiger archäologischer Zeugnisse, die in unserer Zeit ans Tageslicht gebracht wurden.

Der zielbewußte Ausbau der karthagischen Macht im Mittelmeer, die sich nach dem Zinn produzierenden Spanien, dem sagenhaften Reich von Tartessos und darüber hinaus vermutlich sogar auf die hiberni-schen Inseln (England und Irland), Sardinien, Korsika und schließlich Sizilien erstreckte, wird unter gewissenhafter Berücksichtigung antiker Geschichtsquellen und archäologischer Funde in den genannten Gegenden in allen Einzelheiten festgehalten.

Wie es schließlich zu militärischen Zusammenstößen mit den aufsteigenden griechischen und spartanischen Kolonien auf Sizilien und in Unteritalien, mit den Etruskern und endlich mit dem Staat der Zukunft — Rom — kam, und wie sich der Handelsstaat Karthago — fast ohne Hinterland — nur auf seine Flotte, auf seine im Falle einer Niederlage gnadenlos den mächtigen Handelsherren ausgelieferten Heerführer (wie Mago, Hamilkar, Hasdrubal

und Hannibal) und die gut bezahlten Söldnerheere gestützt. 500 Jahre lang behauptete, führt uns der Autor eingehend vor Augen.

Das Buch Warmingtons gewährt Einblicke in das kulturelle und religiöse Leben der Karthager. Die auch archäologisch nachweisbaren Menschenopfer an die Götter Baal, Ham-mon und Tanit flößten bereits im Altertum Grauen und Abscheu ein. Künstlerisch und literarisch in keiner Weise begabt, haben die Karthager nichtsdestoweniger ein, selbst von griechischen und römischen Schriftstellern anerkanntes, vorbildliches Staatswesen organisiert.

Aber selbst der Autor dieses Geschichtswerkes, der dem Volk der Karthager zweifellos Interesse und Sympathie entgegenbringt, kann nicht umhin, sich dem Urteil Plut-archs — die Karthager seien ein hartes und finsteres Volk, unterwürfig gegenüber ihren Herrschern und streng gegen ihre Untertanen — anzuschließen: In Zeiten der Furcht seien sie äußerster Feigheit, in Zeiten des Zornes äußerster Grausam-

keit fähig. Hartnäckig hielten sie an ihren Entschlüssen fest, lebten mäßig und legten wenig Wert auf die Annehmlichkeiten des Lebens.

Der Inhalt dieses lehrreichen Buches bestätigt diese Auffassung Plutarchs und die späterer Kommentatoren.

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