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Kunst und Handwerk

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Der Künstler wird weniger für den Luxusbedarf als für das Gemeinwohl zu schaffen haben. Deshalb ist die Anforderung an das Staffeleibild eine höhere in Zukunft, als es der alles angleichende diktatorische Kunststil der autoritären Staaten war. Als Grundlage der modernen Kunstinstitute ist möglichst viel Praxis zu üben. Ausstellungen sollen daher in Zukunft nicht Selbstzweck sein, sondern Festwochen, die in Zusammenhang mit anderen Lebensinteressen des Volkes gepflegt werden sollen. Und doch ist dabei eine Popularisierung der schon immer bestehenden Kunst zu vermeiden, * * *

Es ist der Grundfehler totalitärer Staatssysteme und damit auch einer der größten Fehler der Faschisten gewesen, den illustrierten Postkartentypus als „Kunst dem Volke“ zu offerieren. In diesen selben Fehler zu verfallen, besteht in der Demokratie eine Gefahr durch die Wechselwirkung der Massenbewegungen. Der Groll oder die direkte Opposition des kleinen Parteibeamten der DSDAP. hat sich nicht geändert, wenn derselbe Typus „Mensch“ in anderen Weltanschauungen steht. Diese Beobachtung darf man nicht außer acht lassen. Es ist der Groll des vom Leben zurückgestoßenen, verkrampften Menschen, selbst wenn er die demokratische Binde trägt. Demokrat sein heißt frei sein von Vorurteilen, die zutiefst im Vergangenen wurzeln: eine proletarische Kunst ist ebensowenig ewige Kunst, wie es die bürgerliche Kunst des Liberalismus ist. Die ewige Kunst,J aus tiefstem Leid oder höchster Freude des Menschen entstanden, bleibt ungebunden: ihre einzige Bindung heißt, daß sie von einer schöpferischen und religiösen Natur geboren wurde.

Der begnadete Künstler dient dem Genius und dadurch der Gesellschaft. Nur der subalterne Geist in allen kunstausübenden Berufen dient dem Geschmack einer in der Gegenwart aller Zeiten geschmack-irrenden Masse. Die Masse empfindet selten die Idee in der Gegenwart, geschweige in der Zukunft, die empfindet in derVer-i gangenheit die vorhergehende Idee nach. Die Masse empfindet gegenwärtig Vergangenheit impressionistisch, teils noch sogar naturalistisch. Zur Zeit, als die Künstler Manet, Monat, Corinth und Slevogt die Impression in die Gegenwart setzten, war die Masse tief im Imperfectum des Naturalismus. Darum muß sich jede Idee die Masse erziehen. , /

Wir müssen Werkzentren schaffen, welche dem Handwerker das Schmuckbedürfnis zu einem geistigen Lebensbedürfnis wecken, durch Farben- und Formendialektik zum persönlichen Urteil zwingen. Starke Farben und starke Formen sind die Urformen. Beides kanonisch zu erweitern ist die Aufgabe. Selbstverständlich muß dem Handwerker genügend Wahlfreiheit bleiben und ihm die reine Freude des Entdeckens gegeben werden. Darin liegt wohl die Hauptaufgabe der Meisterschule für angewandte Kunst. Das Genie soll schaffen, der Handwerker aber soll entdecken. Die Künstler sollen ihm den Reichtum der edlen Maße übermitteln. In dem Zusammenspiel der Kurven und Geraden lebt die lebendigste Schönheit. Der Künstler und Kunsthandwerker darf seine schönste Kraft nicht mehr im Kampf mit dem Naturalismus vergeuden. Das organische Gestalten, aus handwerklichem Können entwickelt, führt zur Veredlung des Stofflichen. Vermeidung aller Starrheit und die Bevorzugung des Schöpferischen zur Freiheit der Individualität, aber dabei strenges Studium, sind die Voraussetzungen zu neuen Begriffen für die Künstler, die Diener des Handwerks sein wollen.

Es hat gar keinen Sinn, etwas Schlechtes zu verbessern, sondern wir wollen Neues bauen. Die Formen begeben wir, indem wir die Farben sprechen lassen, die Farbe beleben wir, indem wir Formen bilden, die das Licht fangen. Nie dürfen wir dieses Element vergessen. Es ist für den Künstler und Kunsthandwerker das Gold und Silber, das der Alchimist vergeblich nachzumachen versuchte.

Der Künstler und Handwerker sucht im gemeinsamen Werke die Harmonie aller Teile eines Ganzen zu erreichen.

Es ist die höchste Aufgabe eines kunsthandwerklichen Werkzentrums, die starke Einheitlichkeit des Formwillens in unserer Heimat auf die Grundlage der Oberlieferung zu stellen.

• Die österreichische Tradition beruft sich auf die Urform der Heimatkunst, darf aber trotzdem nicht starr an ihr haften bleiben. Nur wer sich darüber im klaren ist, ist auch imstande, die unendliche Mannigfaltigkeit, welche im begabten Menschen möglich ist, neu zu sehen und neu zu bilden.

Kunst ist zwecklos oder auch Endzweck aller übrigen Tätigkeit. Die Materialkunst, auch auf ihrer höchsten Stufe; ist nichts anderes wie fortwährendes Suchen, dem Material neue Eigenschaften und Schönheiten abzugewinnen: sie kann deshalb über das Handwerk nur durch den Künstler selbst hinauswachsen.

Als die Materie zum ersten Male lebendig werden sollte, gab es nur einen Weg, der so klar vorgezeichnet war, wie die Entwicklung des Menschen. Der menschliche Körper, visuell das- Maß aller Dinge, war seit jeher Grundlage aller Architektur. Die Proportionen eines Baukörpers — ob Bauwerk oder eine keramische Vase — müssen für jeden neuen architektonischen Organismus neu geschaffen werden und stehen jenseits jedes Materials, dessen Maße auf seiner Festigkeit beruhen, die auch von zufälligen Funden und Erfindungen abhängig sind und deshalb auf absolute Werte ohne Einfluß bleiben. Ein neues Material fordert keine neuen Formen, aber es macht sie möglich! Und es ist unmöglich, daß irgendeine Möglichkeit nicht ausgenützt wird. In diesem Sinne ist die große Aufgabe des Künstlers und Kunsthandwerks ewig unerfüllt.Das berüchtigte Übergangszeitalter soll endlich von dem goldenen abgelöst werden, das die Lösung aller Probleme anstrebt.

Der Handwerker als Künstler darf keinen Pakt mit der Maschine schließen und sich von ihr auch nur den geistlosen, medianischen Teil seiner Arbeit abnehmen lassen; denn dann denkt er in ihrem Sinne weiter.

Die Meisterschulen für angewandte Kunst müssen sich die große Aufgabe stellen, die Probleme Idee und Form, Seele und Materie durch harmonische Kräfte unserer alpenlän-disdien Heimat zu meistern.

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