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Aus zwei mach eins

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„DER GÖTTLICHE FUNKE.“ Vott Arthur Köstler. Der MhotlfeHSün Akt In Kunst and Wissenschaft. Aus dem Englischen vo n Agnes von Cranach und Willy Thaler. Mit Anhang, Anmerkungen und Namen- and Sachregister. Schera-Verlag, Bern -Wien - München. 532 Seiten, DM 28.—.

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„DER GÖTTLICHE FUNKE.“ Vott Arthur Köstler. Der MhotlfeHSün Akt In Kunst and Wissenschaft. Aus dem Englischen vo n Agnes von Cranach und Willy Thaler. Mit Anhang, Anmerkungen und Namen- and Sachregister. Schera-Verlag, Bern -Wien - München. 532 Seiten, DM 28.—.

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Arthur Köstler, 1905 geboren, gehört nicht mehr zu jener Generation der Fünfundvierzig- bis Sechzigjährigen, von denen Ortega wissen Will, daß sie nicht gewillt, das Heft aus der Hand und in die Hände der nachfolgenden Generation zu legen. Dennoch läßt gerade er uns fühl eh, wie wenig wir ein solches Verhalten der Älteren und Alten zu bedauern haben. Auch durch ihn werden wir an die Tatsache erinnert, daß es die Altmeister sind, die auf allen Gebieten der Geistes-und Kulturtätigkeit Wesentliches zu geben haben, die das jeweils Neue begründen und durchsetzen. Und sie sind es auch, die nicht müde werden, die hundertmal gedachten Mensch-heitsgedanken noch einmal zu denken und sie der neuen Zeit in immer neuen Formulierungen wieder und wieder vorzulegen.

Bei Arthur Köstler, Dichter, Dramatiker, Essayist und Wissenschaftler in einem, muß man fragen, wo er denn eigentlich Fachmann ist und wo Außenseiter? Anders gefragt: Ist er Künstler oder Wissenschaftler? Nun, Kunst kommt ohne Wissenschaft, Wissenschaft ohne Kunst nicht aus, weshalb sich gewöhn-1 icli beide in einer Hand vereinigt finden. Doch man ist niemals beides, Xüiutltr und Witseniehaftler iu> gleich, wie man night Mann und Frau sein kann, nicht Fransoie und Deutscher, so nah der Grense man auch leben mag, Und Köstler Ist Künstler. Der Impetus zu seiner Arbeit, auch tut wissenschaftlichen, nährt sich nicht aus dem Bedürfnis, die Sache zu erforschen — denn er hat. sie schon erforscht, ehe er noch begann —, sondern mittels der Sache und mittels dem Erforschten das Herz des Menschen zu berühren. Schiller deutete Wallenstein, damit er unB etwas bedeuten könne, nicht damit man wisse, wie er war, Weiser ist es, auf Wissenschaft m verzichten. Hier irrte selbst Goethe, und darin sind Rimbaud, Whitman, Stehshammer, Henry Miller größer als der Geheimrat,

Und wenn es auch richtig Ist. daß nicht nur die Kunst, sondern auch die Wissenschaft nicht ohne Idee auskommt, well, wie Kant es ausdrückt: ... die Vernunft nur das einsieht, was sie seihst nach Ihrem Entwürfe hervorbringt und, wenn auch wirklich, „ob Wissenschaftler oder Künstler, die Mechanismen die gleichen sind“ (Köstler), die den schöpferischen Prozeß da wie dort hervorbringen, und wenn man schließlich — wie sollte man nicht? — der Quintessenz des Köstlerschen Werkes: „Alle großen Werke sind das Resultat einer Befreiung: der Befreiung von den Routinen des Denkens und Tuns“, zustimmt, so ist damit am Wesensunterschied swischen einem Erfindergenle wie Edison und einem Dichtergenie wie Tolstoj nichts geändert, ja er ist dadurch erst recht unverständlich geworden. Es ist, als hätte man bewiesen, daß Rot und Grün das Auge gleich stark afflzieren, und kann nun schon gar nicht begreifen, Warum man sie dann verschieden sieht. Das Wesentliche an Rot und Grün ist aber doch der Unterschied. Dagegen ist, was an ihnen gleich sein mag, belanglos. Aber — wie Wittgenstein sagt: Wovon man nicht sprechen kann, darüber muß man schweigen.

Es ist eins der vergnüglichsten Bücher, die man je gelesen hat, Kein Wunder, hat es doch ein Künstler geschrieben, ein Außenseiter, Gott sei Dank, der da gewinnt. Und bei aller Wissenschaftlichkeit, die es auszeichnet, liest man es nicht als wissenschaftliches Werk. Da ist nicht tu machen,

Man begreift auch hier natürlich. Köstler steht alles zu Gebote: Philosophie, Technik, Wissenschaft, Kunst, In drei Bereichen wird dem göttlichen Funken nachgespürt, der die Schöpferischen Kräfte auslöst. Ohne ihn kann einer Weder einen Witz noch eine Erfindung noch ein Kunstwerk machen. Des Rätsels Lösung wird gefunden und, um diese auszusprechen, auch ein neuei Wort dazu: Bisoziation. Das Verständnis für dieses Wort wird durcl Zeichnungen geweckt; Zwei auf einander senkrecht stehende Ebener (wie die in der Darstellenden Geo metrie verwendeten), die zwei Bezugssysteme darstellen und sich au der Schnittachse treffen, ebet „bisoziieren“. zusammentreffen, wo bei denn etwas passiert, namliel ein Funke springt Über von den einen System oder Gedankenfeh auf das andere, die Erleuchtung is da, Die ganze Idee ist ttatürliel nicht neu. Neu Ist nur ihre Anwen dung auf alle Gebiete menschliche' Geistestätigkeit. Schon Plato lehrte daß jeder Gedanke erst aus den Zusammentreffen (syngignomai) vot zweierlei entstehe. Ein andere! Philosoph spricht von Zusammen schauen. Daß Köstler das Lachet als „Bisoziation zweier unvereinbarer Bezugsysteme“ erklärt, da gefien Ist nichts einzuwenden; dal er aber Schopenhauers klassisch! Lösung: Subsumtion zweier hetero* gener Begriffe unter einer Vor Stellung nicht erwähnt, ist nicht zt loben, da er ihn sonst doch aucl zitiert. Bergsons Theorie dagegen wonach das Komische auf dem Konflikt: lebhaft-starr beruht, wirc kritisiert.

Die Einwände, die hier gegen da; Werk gemacht wurden, sind belang-los. Bewundernswert bleibt die ungeheure Fülle des Interessanten, dh Arthur Köstler aus seinem 8chiei

unglaublichen Wissen und aus selnei Einsicht dem Leser bietet, bewundernswert die lebendige Darstellung, der es gelingt, auf einem halben tausend Seiten die Spannun? bis zum Schluß zu halten.

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