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Ein Stück Papier
KUNST DER KURZEN ERZÄHLUNG. Von Wilhelm von Scholz. In der Reihe Neue Begegnungen, Nr. 6. Leo-Leonhardt-Verlag, Würzburg. 52 Seiten.
Man nimmt das nur wenige Millimeter starke Heft zur Besprechung mit, weil einem Titel und Verfasser Ungewöhnliches zu versprechen scheinen. Denn auch für den der fränkischen Herzmitte Fernerstehenden ist die Sechste dieser „Neuen Begegnungen” zumindest interessant. „Das Schloß in Bruchsal” liest man zuerst, denn man hat es im Krieg und kurz vor der Bombardierung, die es zerstörte, noch gesehen und nie vergessen. Und wirklich: Diese Kunst der Beschreibung ist groß, ist zeitlose Kunst, allein deshalb schon, weil das Thema nicht veralten kann, künstlerische Raumgestaltung denkerisch zu durchdringen.
Dankbar liest man sogleich, was man sich genießerisch für zuletzt auf heben wollte: „Die Kunst der kurzen Erzählung.” Und findet alles wahr: „Ein unerhörtes Ereignis”
muß die kurze Geschichte zum Stoff haben. „Erzähle nur, was zu erzählen sich lohnt!” Nun wässert einem schon der Mund nach den beiden Kurzgeschichten, die in dieser Betrachtung bereits als Musterbeispiele besprochen werden. Und dann liest man sie und — ist enttäuscht.
Wer oder was ist daran schuld? Der Dichter? Hat er doch nicht alle die Gesetze und Regeln, die er aufstellte, so, wie er sagte, ohne sie zu denken, dennoch befolgt? Oder taugen diese Gesetze und Regeln nicht? Man erinnert sich jetzt, daß Scholz sich an Hebbel geschult hat, und so vergleicht man in Gedanken „Schnock” und „Barbier Zitterlein” mit diesen atmosphärelosen Konstruktionen. Dann weiß man es oder glaubt es zu wissen: Diese Erzählungen, entstanden durch einen Anstoß von außen (der Dichter betont ausdrücklich dessen Wichtigkeit), sind nur des Erzählens wegen erfunden. Der Jagdhund Erzähler hat sich täuschen lassen: Was er für Wild hielt, war nur ein aufgewirbeltes Stück Papier.
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