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Der Ruf nach dem religiösen Film

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Das Angebot an künstlerisch wertvollen religiösen Filmen ist sichtlich im Steigen. So hat Hollywood unter anderem den „Weg zum Glück“, „Die Schlüssel zum Himmelreich“ und „Die Glocken von St. Marien" geschaffen, die mexikanische Calderon-Gesell- schaft „Francesco d’Assisi“, Schweden „Das Wort“ und „Das Himmelsspiel“ und neuerdings Frankreich das ergreifende Meisterwerk „Monsieur Vincent“ (das Lebenswerk des hl. Vinzenz von Paul).

Angesichts dieses wadisenden Angebots an hochwertigen religiösen Filmen erhebt sieh unwillkürlich die Frage: Woher kommt das Interesse für das religiöse Sujet im Film? Eines ist ohne weiters klar: die Filmunternehmen sind seit den letzten zehn Jahren gewiß nicht frömmer geworden; es geht ihnen nach wie vor um finanzielle, nicht um religiöse Probleme. Die finanzielle Frage aber ist abhängig vom Geschmack und von den Bedürfnissen des Publikums. Und wer da nun hineinspürt in dieses Publikum, stellt fest, daß da nicht nur ein Leib lebt, dessen Leidenschaften und Phantasie befriedigt sein wollen, ja nicht einmal bloß ein Geist, der dann und wann dem Ursprung und Geheimnis der Dinge und Schicksale nachgrübelt, sondern auch eine Seel e, die zwar schüchtern, aber mit steigender Unruhe hinausfragt über die Grenzen dies Irdisdicn ins Oberirdische und die über die vorläufigen und scheinbaren Lösungen der Fragen des Lebens hinausverlangt nach letzten, ewigen Lösungen. Die herzliche Aufnahme fast aller religiösen Filme von seiten des Publikums war zugleich eine Bestätigung der Erkenntnis: die religiöse Sehnsucht vieler mag verkümmert sein und verschüttet, aber sie ist nicht erstickt, sondern sic lebt.

Und doch müssen wir feststellen: wir sind erst auf dem Weg zum wirklich gültigen religiösen Film. Es ist gewiß zu begrüßen, daß die genannten Hollywoodfilme vielen religiös Fernstehenden das Christentum nahegebracht haben — denn es ist nun einmal so, daß die meisten Menschen das Christentum nur gelten lassen, wenn es menschlich ansprechend- erscheint. Aber es ist auch nicht zu leugnen, daß sich in diesen Filmen bisweilen um wirklich ergreifende Szenen billige Romantik und ehrfurchtsloser Kitsch lagern, um echtes religiöses Empfinden Unechtheit und verschwommenes Gefühl, so daß man bisweilen an jene weitverbreitete Definition der Religion erinnert wird: „Gefühl ist alles.“ Gewiß muß der religiöse Film darauf verzichten, das Übernatürliche oder gar das Mysterium unmittelbar anschaulich zu machen: das ist ihm als Film versagt. Aber er hat das Überirdisdie und Innerliche durch echte religiöse Symbolik aufzuzeigen und dem Erlebnis nahezubringen: fehlt diese echte religiöse Substanz, so mag der Film noch so viele Kirchen und Soutanen und Kreuze zeigen, er ist im Grunde doch pseudoreligiös.

Mangelt es den Hollywoodfilmen bisweilen an letzter Echtheit und an Wagemut, so sind sich die beiden schwedischen Filme zu wenig ihrer Grenzen bewußt. Es ist wohl die Tragik des Films „Das Wort“, daß ec im entscheidenden Augenblick, da die göttliche Inspiration und Kraftverleihung zum Wunder eindeutig offenbar werden müßte, versagt, ja versagen muß. „Das Himmelsspiel“ aber bereitet gerade dann eine leise Enttäuschung, wo es sich in den Himmel dber hineinwagt . Gegenwärtig vermögen wir keinen einzigen religiösen Film zu nennen. gegen dessen religiöse Problemstellung, beziehungsweise -lösung und Erlebniswelt wir nicht Einwände zu erheben hätten.

Nun kündigt der amerikanische Zentralverleih in Wien .mit „Das Lied der Bernadette“ einen Film an, dessen Siegeszug durch Amerika und Westeuropa ebenso wie die Würdigungen der Presse uns zu hohen Erwartungen ermutigen. Gedreht nach dem gleichnamigen Werfel-Roman, schildert der Film das Leben des schlichten Bauernmädchens Bernadette Soubirous, das um die Mitte des 19, Jahrhunderts jener Muttergotteserscheinungen gewürdigt wurde, die seither Lourdes zu einem Mittelpunkt religiöser Erfahrung und Erneuerung gemacht haben. Giorgio de Lupis hat in der „Furche“ vom 17. Mai 1947 („Hollywood, Werfel und Bernadette“) so ausführlich den Hintergrund und das Werden des Films gezeichnet, daß wir hier auf Wiederholungen verzichten können. Zugleich ist dort das Urteil des Auslandes über den Film zusammengefaßt. Nach diesem würde „Das Lied der Bernadette“ den bisher erreichten Höhepunkt in der religiösen Filmproduktion darstellen. So eindrucksvoll die amerikanischen Schilderungen sind, die uns erzählen, wie nach genauesten Studien in Hollywood das zeitgenössische Lourdes jener Tage samt

Vergleiche „Die Furche" vom 10. Jänner 194?: „Von Glaube, Wunder utid Barmherzigkeit“

dem Gavefluß und den Grotten von Massa- bielle aufgebaut wurde (echt amerikanisch werden 86.000 kg Zement gebucht, 150 Tonnen Sand, 120.000 kg Gips, 350 Tonnen Gestein für die Grotte und ein Wasserreservoir mit einem Fassungsraum von

1,800.0 Liter für die künstliche Gave), so wird doch während des Films kein Mensch an diesen Aufwand denken. Wer sie vor allem in ihren Bann zwingt, das ist Jennifer Jones, der als siebzehnjähriges Mädchen eine wahrhaft vollendete Darstellung des schlichten Bauernmädchens Bernadette gelingt. Und die Regisseure und Szenenbildner haben es ebenso wie die übrigen Schauspieler — mit wenigen Abstrichen — verstanden, ihrer Gestalt den würdigen Rahmen zu geben. Amerika hat den Film mit vier „Academy Awards" ausgezeichnet, von denen eine Jennifer Jones für ihre ausgezeichnete schauspielerische Leistung gewann.

Wird also „Das Lied der Bernadette“ der religiöse Film sein, den wir erwarten? Wir wollen der österreichischen Kritik nicht vorgreifen. Unser Geschmack ist weder amerikanisch noch französisch noch italienisch, und an religiöse Filme sind doppelt hohe Anforderungen zu stellen. Wenn aber der Film läuft, dann wollen wir auch jenes Mannes gedenken, dem durch sein Buch die geistige Autorschaft gebührt: Franz Werfel. Mit diesem Film kehrt er gleichsam heim in jene Stadt, die einst seine Dramen und Dichtungen gefeiert hat.

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