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Die Revolution der Reichen

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Ernst Trost, Autor des Buches „Aufstand in der Kirche“, ist kein politischer Farbverkehrer, sondern engagierter Publizist. So trat er als Kriegsberichterstatter im dritten israelisch-arabischen Krieg (1967) auf israelischer Seite hervor; in der politischen Journalistik erwies er sich als ein verständnisvoller Einbegleiter des neuen Linksregimes in Bonn, und als Buchautor gehört er zum Stammpersonal eines Verlages, der in Kreisen der Frankfurter Buchmesse überraschenderweise eher der Linken zugerechnet wird.

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Ernst Trost, Autor des Buches „Aufstand in der Kirche“, ist kein politischer Farbverkehrer, sondern engagierter Publizist. So trat er als Kriegsberichterstatter im dritten israelisch-arabischen Krieg (1967) auf israelischer Seite hervor; in der politischen Journalistik erwies er sich als ein verständnisvoller Einbegleiter des neuen Linksregimes in Bonn, und als Buchautor gehört er zum Stammpersonal eines Verlages, der in Kreisen der Frankfurter Buchmesse überraschenderweise eher der Linken zugerechnet wird.

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Die Reportage über den Aufstand in der Kirche beschreibt die Revolution der „Fortschrittlichen“ gegen die „Rückständigen“ in der Katholischen Kirche. Rückständig ist, wer bei den Fortschrittlichen nicht mitmacht; er ist damit vorweg abgewertet. Wem es zu strapaziös ist, auf 257 Seiten zu lesen, wie groß die religiöse, moralische und intellektuelle Überlegenheit der Progressisten gegenüber den „anderen“ ist, dem wird die Lektüre des Buchs keine Freude machen. Der Wert des Buches besteht darin, daß es die tatsächlichen Folgen des Aufstandes in der Kirche beschreibt und nicht nur das, was sich reformfreudige Theologen, Bischöfe und Intellektuelle im Anfang gedacht haben. Wie bald hat auch in der Kirche eine Revolution ihre eigenen Kinder gefressen. Die radikale „dritte Welle“ der Reform geht erbarmungslos über die Positionen, Modelle und Typen der „ersten Welle’ (Rahner, Congar, Küng) und die der „zweiten“ (Metz, Kaspar, Neumann) hinweg. Schon schwenken die „kritischen Katholiken“ im Umkreis der neuerstandenen Universität Bochum auf den „langen Marsch“ der Neuen Linken ein und damit heißt das Ziel des Ganzen nicht mehr Reform, sondern Zerstörung der Kirche. An vielen Stellen enthüllt Trost bewußt und unbewußt, wie sehr der Aufstand in der Kirche der Neuen Linken dient und wie selten deswegen einer von dort her zur Kirche stößt; viele wurden wankend im Glauben, wenige kamen neu hinzu.

Die; heuen Typen ztf beschreiben, gelingt Trost am besten: Der Erzbischof und Bischof, der die ihm übertragene Autorität verhökert oder vor dem bischöflichen Amt Angst kriegt, resigniert oder in die anonyme Caritas flüchtet; der italienische Pfarrer, der sich mit einer vollendeten politischen Mimikry der herrschenden Meinung seiner Umgebung anpaßt und mit der sichtbar zur Schau getragenen KP-Tageszeitung unter die Schar der Kirchengänger tritt; der junge Kaplan, der lieber die nächtliche Diskussion bei Alkohol fortgesetzt hätte, als „morgens eine Messe für ein paar Omas hinzulegen“ und dabei „nicht ganz versoffen zu sein". Wenn auch schwach angedeutet, wird in dem Buch sichtbar,

daß der Aufstand die Aktion einer Minorität in der Minorität der praktizierenden Katholiken bleibt und die Zahl der Bischöfe, Pfarrer und Kapläne der geschilderten Art klein ist gegenüber der Zahl derer, die auf ihrem Platz und auf der Höhe der Zeit sind; einmal mehr exemplifiziert sich beim Aufstand in der Kirche die „bolschewikische Methode“: Eine Minorität reklamiert für sich den Besitz der ideellen und materiellen Überlegenheit und drängt die „anderen“ aus dem Blickfeld.

Auch beim Aufstand in der Kirche kommt es im Zeitalter der Telekratie darauf an, im Bilde zu sein. Mit sichtlicher Anteilnahme berichtet Trost über die Tatsache, daß die Massenmedien (Hörfunk und Fernsehen) so weit in den Händen der Progressisten sind, daß dort die Rückständigen nicht mehr zu Wort kommen. Totschweigen ist eine andere Methode. Während bei jeder Publikation eines aus den Kreisen des Fortschritts der Lobe-dich-Ver- ein der Anhänger die laudatio anstimmt, werden Gegenschriften einfach totgeschwiegen. Der Dialog, Anfang des Ganzen, wird eingestellt, sobald der Fortschritt Herr der Lage, also neues Establishment, ist. Der Österreicher wird an diesem Punkt seine Tatsachenerfahrungen anmerken; ricorsi kommen in solchen Fällen zu spät.

Der politische Publizist Trost hat ein feines Gespür für die Renaissance des politischen Katholizismus in der neuen Form des Politchristentums, wie dieses unlängst die „Reform- Priester“ bei ihren Zusammenkünften in Rom, abseits der Kirche, verlangten.

Die Kölner „Politischen Nachtgebete“ der evangelischen Theologin und Schriftstellerin Dorothee Solle sollten katholische und evangelische Christen auf Linkskurs bringen. Zu dem Image einer neuen Religiosität jenseits der traditionellen Markierungen der Kirchen und politischen Parteien gehören die etablierten Kontakte katholischer Geistlicher zur SPD am Vorabend der Bonner Bundestagswahl 1969. In der „zweiten Welle“ des Aufstands reklamierten die Fortschrittlichen, die in der „ersten Welle“ das politische Enga gement der Rückständigen arg verdammt haben, mit der größten Selbstverständlichkeit ein revolutionäres Engagement bei der Linken. Der Autor konnte nicht mehr beschreiben, wie Frau Solle nach Fertigstellen des Buches die einschlägigen interkonfessionellen Probleme für sich löste, indem sie nach Verlassen einer Ehe, aus der drei Kinder hervorgingen, einen Ex-Benedik- tinerpater heiratete.

In der Konfrontation Konziliars- idee—Autorität des Papstes zeigt der Autor unter Berufung auf den Holländer E. Schilleheecks (Dogmatiker in Nijmegen) ein bemerkenswertes Finale auf: Danach soll der Papst in Hinkunft die Erneuerungen der Kirchenprovinzen „zur Kenntnis nehmen“ und dann den anderen Kirchenprovinzen „Mut machen“, in denen die „Entwicklung langsamer voranschreitet“. Diese Art, einen Zentralismus in den Dienst jener Föderalisten zu stellen, denen der Föderalismus der anderen nicht paßt, demaskiert wohl am besten den herrschenden Zeitgeist der „Demokratisierung der Kirche“. Es sollen also die einen Katholiken die anderen „katholisch machen“ und dazu ist auch die Autorität des Papstes gut. Der „Papst als Schrittmacher des herrschenden Zeitgeistes“ erinnert an jenen Papst, der 1847 unter dem Jubel der Liberalen in sein Amt kam und dessen Leichnam dreißig Jahre später von den Partisanen des herrschenden Zeitgeistes beinahe in den Tiber geworfen worden wäre. Einmal werden die katholischen Neorevolutionäre auf das Schlachtfeld der Revolution kommen. Wie werden sie von den Revolutionären begrüßt werden? Lenin läßt darüber keinen Zweifel:

„Diese Irreführung durch hysterische Hypermoderne, die ohne Substanz arbeiten, kennen wir. Das sind die Folgen von Banaltheorien über die Revolution. Da kann jeder mitmachen, vom Bankier bis zum Zaren.“

Es ist das Kennzeichen der kirchlichen Revolutionäre unserer Zeit, daß ihre Kader und Magazine in den Ländern des Überflusses und Wohlstands sind: In Holland, in Deutschland, in Frankreich, in den USA. Die Neue Linke ist zunächst einmal reich.

AUFSTAND IN DER KIRCHE. Von Ernst Trost. Verlag Fritz Molden, 1969, 257 Seiten, S 115.—.

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