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Die Schiller-Nationalausgabe

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Band III: Die Räuber. Herausgegeben von Herbert Stubenrauch. Verlag Hermann Böhlaus Nachfolger, Weimar, XXXII, 463 Seiten und 5 Tafeln. Preis 16.75 DM

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Band III: Die Räuber. Herausgegeben von Herbert Stubenrauch. Verlag Hermann Böhlaus Nachfolger, Weimar, XXXII, 463 Seiten und 5 Tafeln. Preis 16.75 DM

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Als im Jahre 1943 der erste Band einer neuen Schiller-Ausgabe mit den Gedichten zu erscheinen begann, hegte kaum jemand die Hoffnung, daß es diesem Unternehmen anders ergehen würde, als der Torso gebliebenen Goethe-Weltausgabe. Aber es scheint, als sei diesem Unternehmen mehr Erfolg beschieden. Von der auf 33 Bände veranschlagten Reihe liegen mit dem vorliegenden Band sechs Bücher auf, einer befindet sich im Druck. Die Ausgabe versucht, unter Zuhilfenahme aller Druck- und Handschriftenunterlagen die vorbildlichste zu werden; bei der Darstellung des . wissenschaftlichen Stoffes (Textkritik, Lesarten, Einführung, Kommentar, Wirkungsgeschichte) sollen die verschiedenen wissenschaftlichen Arbeitsweisen verknüpft, dennoch ein ausschließlich gelehrter Charakter vermieden und dadurch die Ausgabe einem breiten Kreis zugänglich gemacht werden. (Der neue Geist erhellt auch aus besonders herabgesetzten Preisen für Schulen.)

Die letzte und bis nun einzige kritische Ausgabe von Schillers Werken gab zwischen 1867 und 1876 Goedecke heraus. Seither erschlossen sich eine Fülle neuer Einsichten.Stubenrauch bietet mit seiner Herausgabe (rund die Hälfte des Bandes Anmerkungen) wohl sein Lebenswerk. Abschnitte wie: „Die Räuberfabel und ihre Quellen“; „Selbstverlag und Druckgeschichte“; „Die unterdrückten Bogen“ (Schauspiel) sowie die Stellen, die sieb auf Dalbergs Eingriffe (beim Trauerspiel) sowie die Verlagsgeschichte beziehen, lesen sich selbst wie ein Drama.

Schillers politische Wendung besteht weniger in der Auseinandersetzung mit bestimmten Volksund Staatstheorien als hauptsächlich in der Anwendung seiner Ideale auf das öffentliche Leben. Daher hat ihn der auf der Karlsschule besprochene Unabhängigkeitskampf der Vereinigten Staaten weniger ergriffen als die Gedanken Fergusons, Abels und Montesquieus, wie die drän gende politische Lage der Heimat. Er hat einmal in ein Stammbuch eines Kameraden unter die Verse Klopstocks „O Freiheit, Silberton dem Ohre, Licht dem Verstand und hohen Flug zu denken, dem Herzen groß Gefühl“ geschrieben:

„O Knechtschaft, Donnerton dem Ohre, Nacht dem Verstand und Schneckengang im Denken, dem Herzen quälendes Gefühl.“ Nicht, wie ein namhafter Schiller-Biograph von heute es will: die „Räuber“ würden heute so betrachtet werden, wie zur Zeit des Dichters dieser den Dreißigjährigen Krieg; vielmehr macht die Herausgabe von Weimar ersichtlich, daß die Zeit des Historizismus, so verstanden, vorbei ist, daß das, was damals geschrieben, für uns lebendige, fortwirkende und läuternde Gegenwart. Damals konnte es noch geschehen, daß die in französischer Sprache erscheinende Zeitschrift „Pot-Pourri“ Vol. 11 12 368) in Mannheim einem Rezensenten, der gar nicht die Aufführung sah, das Wort erteilen konnte: „Comment peut on prendre pour succès le souffrage du peuple?“

Wir haben in Wien auch eine nahe Beziehung zu dem Stück. Hier ist es (nach einer Aufführung unter dem Titel „Die Räuber oder der Fall des Moorischen Hauses“) unter voller Autorennennung und richtigem Titel zehn Jahre nach Mannheim, am 3. Jänner 1782 im „Theater beym Fasan am Neustift“, Neustiftgasse 18, Hof, jetzt 67, über die Bretter gegangen.

Als der Todgeweihte am Abend des 8. Mai 1805 die untergehende Sonne zu schauen verlangte, war es nur das sinkende Gestirn dieser Welt und ihrer Freiheit. In die immerwährende, die Herzen wärmende Sonne einer wahren unteilbaren Freiheit zu lenken, zum Silberklang über dem Donnerton: dazu bietet die Weimarer Nationalausgabe die Hand.

Hanns Salaschek

Grundtvigs Leben und Werk. Von Hai Koch. Aus dem Dänischen übertragen von H. W i n k 1 e r und Victor Schmitz. Verlag Gustav Kiepenheuer, Köln-Berlin. 211 Seiten.

Wer war Grundtvig? Grundtvig zählt heute leben Andersen und Kierkegaard zu den bedeutendsten Vertretern des dänischen Geistes. Noch vor der Französischen Revolution geboren, starb er erst in der Zeit, der berühmten Universitätsvorlesungen von Georg Brandes. Interessant, daß die Kopenhagener Vorlesungen des norwegischen

(und gleicherweise auch deutschen) Naturphilosophen Henrik Steffens von 1802 03, die Oehlen- schläger zum Dichter machten, auch Grundtvig tief beeinflußten, der sich immer wieder zu Steffens bekannte. Grundtvigs literarische Haupttätigkeit fällt in die dreißiger Jahre des 19. Jahrhunderts. Damals schrieb er seine „Mythologie des. Nordens", sein „Handbuch der Weltgeschichte", sein „Liederbuch für die dänische Kirche", seine Vorlesungen „Rückblicke des Mannes". Sein interessantestes Buch ist sicherlich die „Mythologie des Nordens", die Zeugnis von Grundtvigs „historisch-politischer" Methode ablegt. Er war eine seltsame Mischung von Aufklärung und Romantik und fühlte den Drang, eine Reformschule zu schaffen und alle Kultur vom Volk her zu verstehen. Grundtvigs kirchliche Polemik, mit der er ungeheures Aufsehen in Dänemark erregte, berief sich auf das Ablegen des Apostolischen Glaubensbekenntnisses. Aehnlich wie nach ihm Kierkegaard, bekämpfte auch er einen offiziellen Vertreter der dänischen Landeskirche, wurde aber in einem vom Angegriffenen angestrengten Injurienprozeß verurteilt. Was hat Grundtvig nicht alles getan und gewirkt! Auf ihn geht die Gründung der „Dänischen Gesellschaft" mit dem Ziel, die Muttersprache zu pflegen, zurück; er gilt als der Begründer der öffentlichen Beredsamkeit in Dänemark, als der erste Meister des Gesprächs, der begeisternden öffentlichen Rede usw. Insofern ein Humanist, als ihm „Mensch" zu sein die größte Aufgabe war, erinnert er oft an J. G. Herder, auch in manchen aufklärerischen und rationalistisch-theologischen Zügen mit diesem verwandt und wie dieser ein Anreger großen Stils. Grundtvig hat alle Züge des bedeutenden kirchlichen Volksmannes an sich.

Das vorliegende, klar verständliche Büchlein darf als übersichtliche und gediegene Einleitung in Wesen und Werk des Mannes empfohlen werden. Es ist gut geeignet, einen Einblick in das Leben dieses Dänen zu vermitteln, der hierzulande fast nicht bekannt ist, in der dänischen Geistesgeschichte jedoch eine wichtige Rolle spielt.

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