Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
Ein Land im Rückspiegel
DIE KÜNSTLERSTRASSE. Auf Studienreise durch Kamerun. Von Walter Hirschberg. WollZeilen-Verläg, Wie’ii; 1962. 208 Seifen,”50’Abbildungen. Preis 27.50 DM.
Das | Erlebnisbuch des bekannten Wiener Ethnologen will nach den Worten des Verfassers „ein Stück Afrika zeigen, das, wie so vieje andere Teile dieses von Unruhe ergriffenen Kontinents, von den konvulsivischen Zuckungen eines ungeheuren Kulturwandels geplagt wird”. Dieses Thema, schon.an sich faszinierend, muß in unserer, an eine bereits maßlos schnelle Fortentwicklung gewöhnten Zeit umso stärker ansprechen, als ja hier die „Sprünge” der Entwicklung überall noch sehr deutlich sichtbar werden.
Um das Werdende zu verstehen, muß man es mit dem Gewesenen konfrontieren, was Hirschberg in sehr abwechslungsreicher Weise gelingt. Hier läßt er aus den Aufzeichnungen eines Hauptmanns der deutschen Schutztruppe die Zeit der Jahrhundertwende erstehen, dort wächst aus der Beschreibung einer Missionarin, die 19ll in Fumban anlangte, ein Bild der Regierungszeit des dort residierenden Königs Nschoja bis zu. dessen Tod im Jahr 1933. Nicht minder; kommt auch die einheimische Überlieferung zu Wort, die dieser bedeutende afrikanische Herrscher im „Buch 4er Könige” von Bamum in einer Schrift fixieren ließ, die er selbst erfand, und ermöglicht so Rückblicke auf die früheren Jahrhunderte.
Eine kulturgeschichtliche Begleiterscheinung dieses vermutlich im 18. Jahrhundert im Grasland von Kamerun entstandenen Staates war die Blüte eines „höfischen” Kunsthandwerkes, das erst in den dreißiger Jahren unseres Jahrhunderts verfiel. Sein Retter war ein französischer Sammler, der ein loyales Museum ins Leben rief und das Interesse öffentlicher Stellen für die Bamuni-Kunst weckte. Diese hat sich heute zu einem Handwerk der Andenken-Kunst gewandelt. In der „Künstlerstraße” von Fumban konnte der Autor nun die afrikanischen Künstler unmittelbar an der Arbeit beobachten, die nach einem uralten Verfahren abläuft, und schildert dies in sowohl exakter als auch in sehr lebendiger Weise, die selbst den fesseln kann, dem das Thema ferner liegt. Dies ist wohl Völkerkunde im besten :Sinn des Wortes. Die Bamum-Kunst bietet dann auch Anlaß zu Ausflügen in die geistige Welt des alten (angeblich ach so „kulturlosen”) Afrika.
Das Bauailand ist nur ein kleiner Teil der Republik Kamerun, mit durchaus eigener völkischer und kultureller Prägung. Wir erfahren im zweiten Teil des Buches nun auch vieles über seine Nachbarn, die Bantu des Südens und die Fulbe und Hausa des Nordens. Abrisse der Geschichte mehrerer westafrikanischer Völker und ihrer Staatsgründungen sind eingeflochten, auch die Schilderung markanter Einzelheiten ihrer Art und Sitten, so daß das Buch streckenweise dem Leser in einer sehr allgemeinverständlichen Form eine Einführung in ein breiteres Wissen um Afrika bietet.
Ein stärker „akkulturiertes” Afrika, in dem die Impulse der europäischen Kolonisation bereits eine weitergehende Umwandlung der einheimischen Lebensweise hervorgerufen haben, schildert uns Hirschberg schließlich aus dem Küstengebiet von Duala. Interessanterweise wird hier das Nebeneinander des Gestrigen und des Heutigen, des Alten und des Neuen dargestellt, die einander gegenseitig durchdringen und umwandeln. Auch die Probleme der aktuellen, durch die politische Entwicklung bedingten Veränderungen werden berührt. Zugleich begegnen wir hier der Arbeit und Gedankenwelt eines einheimischen Heilpraktikers alter Schule, also eines „Medizinmannes”. Der über allem stets auf das Menschliche gerichtete Blick des Autors macht das Buch zu einer ebenso abwechslungsreichen wie angenehm belehrenden Lektüre.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!