7122233-1996_41_20.jpg
Digital In Arbeit

Ein Wiener, der es in den USA nicht aushielt

Werbung
Werbung
Werbung

Irrfahrten eines törichten Zeitgenossen”: Das liebenswerte Ruch von Ernest Roberts nennt sich zwar Roman, ist aber wohl eher eine Autobiographie voll Witz und Selbstironie. Der charmante, leichtfüßige Held „Percy” strebteine große Schauspielerkarriere an, die jäh unterbrochen wird, als er in Stettin in dem Nazistück „Schlageter” reüssiert und der NSDAP beitreten will. Sein Vater schickt ihm ein Brandtelegramm: „Dringende Aussprache mit Dir erforderlich - stop - erwarte Dich morgen Abend München Hotel Deutscher Kaiser” und eröffnet ihm, daß er, Percy, Halbjude ist. Ein Tiefschlag! Er versucht sich zunächst am Brünner Stadttheater. Nach erfolgreichem Beginn kläglich scheiternd, macht er sich in der immer unsicherer werdenden politischen Situation gerade noch rechtzeitig nach London und Amerika auf. Die Möglichkeiten für einen Emigranten mit unüber-hörbarem „Kraut- und Leberwurst-Akzent”, eine Theaterrolle zu bekommen, sind, wie er bald feststellen muß, gleich Null.

Nach einem Garderobier- beziehungsweise „Mädchen für alles”-Job bei Walter Slezak, nicht ohne Umweg über Havanna zur Erlangung eines Langzeit-Visums, schlägt sich der Held unter anderem als Fahrlehrer von prominenten Emigranten in Hollywood durch, unter welchen er vor allem Alma Mahler-Werfel rühmt.

Amerika erlebt Percy zunächst euphorisch: „Die ersten Monate war ich vom pulsierenden Bhythmus der Weltmetropole hingerissen.” Doch nach vielen eintönigen, zermürbenden Jobs, unter anderem als Fernfahrer, begann er „die eintönige Uniformierung der amerikanischen Staaten zu hassen, die schnurgeraden Autobahnen, die trostlosen Basthäuser mit ihrer kalkigen Neonbeleuchtung, die Gleichheit der Städte und Dörfer, die sinnlose Geschäftigkeit des adretten schiefbekappten Personals ... diese eisige Kälte unter jovialem Gehabe, dieses Desinteresse unter oberflächlichem, freundlichem Getue.” Zwischendurch ist er auch Werbetexter, was nicht nur bei seinen Gedanken über die amerikanische Wegwerfgesellschaft durchschlägt. Er verfolgt offensichtlich auch die heutige Werbesprache und paraphrasiert witzig den bekannten Anzeigenspruch „Ich war einmal eine Bierdose”. Amerika hat ihn eingeholt: „Müllverwertung, Körper Verwertung, Exkrementen-Verwertung, Hirnverwertung. Begreif doch endlich, Percy, wir werfen dich weg, um dich wieder zu verwerten. Wir recyclen dich wieder. Eines Tages wirst du als Kloschüssel stolz drauf hinweisen: ,Ich war einmal ein Mensch!'.”

Die schrecklichen Ereignisse in Europa dringen zu dem sich eifrig über Wasser Haltenden kaum durch, werden zwar immer wieder, vor allem im Zusammenhang mit Nachrichten von den Eltern, erwähnt, aber auch immer wieder verdrängt, sie bilden den gelegentlich durchscheinenden düsteren Hintergrund der scheinbar leichthin erzählten Lebensgeschichte. Der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs erscheint unwirklich als Badionach-richt am sonnigen Strand von Santa Monica.

Die Schilderung eines Emigrantenschicksals, humorvoll, frei von Bessentiments, besticht durch Leichtigkeit und farbigen Erzählstil. Ein turbulenter Lebenslauf voll Höhen und Tiefen, Erfolgen und Mißerfolgen und mit überraschenden Wendungen, auch im Handlungsablauf. In Hollywood, New York und Wien jagt Percy beharrlich seinem Schauspielertraum nach, versucht auch im Filmbusiness sein Glück und landet schließlich als Zeitungskorrespondent in der Türkei. Dort glaubt er sein Shangri-La gefunden zu haben, wird aber ausgewiesen und findet letztlich Gefallen an einer griechischen Insel und ein neues Zuhause.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung