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Galileo Galilei und Bert Brecht

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Das Neue Tlieater in der Scala brachte die österreichische Erstaufführung von Bert Brechts „LebendesGa'lilei“. (Regie Wolfgang Heinz, in der Titelrolle Karl Paryla, Bühnenbild und Kostüme von Erika Thomasberger.) Es war eine eindrucksvolle Aufführung im Stil der Brecht-schen- Bilderbogenmanier, eine dramatische Ballade, ein erzählend episches Theater,; linear und ohne dramatische Spannung, aber dramatisch durch die Spannung des Berichtes. Im Mittelpunkt die starke, eigenwillige Gestaltungskraft Karl Parylas, um ihn herum gut besetzte Nebenrollen (Gerhard Klingenberg. Erika Michl b. a.) und unzählige Statisten.

Brecht schrieb seinen „Galilei“ in den Jahren 1938-39 im Exil in Dänemark — zu einem Zeitpunkt, da die Zeitungen von der Spaltung des Uran-Atoms durch deutsche Physiker berichteten. Zweifellos ein Zeitpunkt und Anlaß für einen Dichter und Zeitkritiker in einem Werk ausrufen zu lassen: „Euer Fortschritt wird nur ein Fortschritt von der Menschheit weg sein; die Kluft zwischen Euch und ihr kann eine Tages so groß werden, daß Euer Jubelschrei über Irgend eine neue Errungenschaft von einem universellen Entsetzensschrei beantwortet werden könnte!“ — Für den fanatischen Gesellschaftskritiker Brecht gleichzeitig Zeitpunkt und Anlaß, einen Menschen zu gestalten, der der Wahrheit dient und mit physischen Mitteln gezwungen wird, von dieser Wahrheit abzuschwören — was am Beispiel Galileis, an seiner tragischen Niederlage durch eine Gesellschaftsordnung, die wischen zwei Zeitaltern um den Frieden ihrer von der Kraft der neuen, anbrechenden Epoche, erschütterten Ordnung kämpfte, eindrucksvoll demonstriert werden kann. — Für den marxistischen Dogmatiker Brecht aber auch Anlaß, an dem V et gleich Galilei die Alleingültigkeit der wissenschaftlichen Erkenntnisse zu proklamieren und sich von Gott zu distanzieren.

Brecht spricht von der Wahrheit der Sterne, aber die letzte Wahrheit schaltet er aus. Und der Vergleich Galilei entgleitet, die Figur Galilei • rückt In die Vergangenheit, in den Irrtum zurück. In den Irrtum der Vergangenheit, die meinte, daß wissenschaftliche Erkenntnis von Gott getrennt sei. Und in den Irrtum des Marxisten Brechts, der für uns keine Gültigkeit hat.

Wir habn ein Werk vor uns, das zwangsläufig Widerspruch in sich selbst ist: der unterdrückten Wissenschaft und dem Kampf um die Wahrheit gewidmet, aber von einem Dichter gestaltet, der sich einer Welt verschrieben hat, in der die materialistische Doktrin der absoluten Wissenschaft unterdrückt und die Wahrheit dialektisch angewandt wird. Ein Werk, in dem gesagt wird, daß sich die Wissenschaft keiner Macht beugen dürfe, aber gesagt von einem Gesellschaftskritiker, der Dichter einer Gesellschaft ist, in der die Macht herrscht.

Im Parkring-Theater eine originelle Komödie „Die Sechste Dimension“ von lean G i 11 e n e. Nach langem wieder einmal ein Lustspiel humorvoller Einfälle und amüsanter Dialoge, mit ganz ausgezeichneten schauspielerischen Leistungen Trude Ackermanns in der Rolle einer naiven, wie aber auch exaltierten kleinen Frau, die es mit der Geisterbeschwörung hält, und von Kurt Julius Schwarz, der seine Gründe hat, ihre spiritistischen Eskapaden zu ermuntern. Dem Gatten (gut besetzt mit Peter Braäd) kömmt das happy-ehd. zugute,. zumal er bezüglich seiner Sekretärin (sehr gut:-Ren.ee Michaelis) wirklich unschuldig' ist,'— In Nebenrollen Helmut Jessernigg und Rosemarie Strahal, Regie: C. W. Fernbach, Bühnenbild R. Schmid.

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