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Gott soll helfen

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Das vorliegende Buch war ein Bestseller auf dem amerikanischen Büchermarkt und gehört zur Gattung der „harten“ Literatur. In Form einer Sozialreportage wird das Leben der italienischen Einwanderer, die sich als Bauarbeiter verdingen müssen, geschildert. Die Zeit vor der Weltwirtschaftskrise, die Situation so gut wie völliger Rechtlosigkeit der sprach- und milieu-unkundigen Einwanderer, wird dabei erbarmungslos bloßgestellt. Der Autor versucht dabei, nicht nur den Alltag der Bauarbeiter und die unbeschreibliche Not, in der sie sich befinden, zu schildern, die Trostlosigkeit der überfüllten Zinskaserne, in der die Helden des Romans leben, sondern zeigt eine geradezu pathologische Freude an der Wiedergabe der Obszönitäten des Wortschatzes primitiver Menschen, deren Denken auf Brot und Sexus fixiert zu sein scheint. Die Darstellung erhebt sich trotzdem stellenweise auf die Ebene lyrischer Stimmung, welche die Not des Tages da und dort zu überdecke« vermag.

Der Inhalt des Buches, die Handlung, soll mehr oder weniger nur eine Folie sein für die Milieuschilderung: Ein italienischer Vorarbeiter wird das Opfer eines skrupellosen Bauunternehmers und verunglückt — gleich ihm eine Reihe von Landsleuten — tödlich. Die Versorgung der Familie übernimmt der Älteste, ein erst zwölf Jahre alter Bub, der ebenfalls auf den Bau geht und sich dort, dank der Unterstützung durch die Freunde seines Vaters, eine gute Position zu schaffen vermag. Das Engagement, das weit über die physischen und die psychischen Kräfte des Kindes hinausgeht, führt mehrmals zu Zusammenbrüchen und fast zur Aufgabe des Gottesglaubens, zu Zweifel an der Existenz eines Gottes, der es nicht vermag, bereits in dieser Welt Erfüllung zu bringen.

Das Buch hinterläßt einen zwiespältigen Eindruck. Die drastische, zuweilen glutvolle Darstellung einer tristen Epoche der amerikanischen Sozialgeschichte weist kaum aktuelle Bezüge auf. In der Zwischenzeit ist die Arbeitskraft des Menschen zur Mangelware geworden. Wo aber Arbeitslosigkeit herrscht, gibt es Versorgungschancen, dank einer nun auch in den USA verwirklichten Sozialgesetzgebung.

Insoweit ist das Buch also vor allem mit historischen Bezügen versehen und in, den Grenzen der Milieudarstellung durchaus ernst und als moralische Aussage zu nehmen.

In die wiedergegebenen Meditationen und Dialoge sind auch christlich etikettierte Aussagen verwoben. Das Christentum, wie es der Autor im Denken und in den Aussagen seiner Helden auszuweisen sucht, ist jedoch reichlich primitiv; ein Zwitterding von Aberglaube und Naturreligion. Der „Christus im Beton“ ist nicht der Christus der Auferstehung, nicht der Welterlöser, sondern ein Naturgott aus dem Bereich des Animismus („Der Wein ist das Blut unseres süßen Herrn Jesus Christus“), ein Christus, der vor allem in der Bedrängnis gerufen und der verflucht wird, wenn er 3is n

Erfüllungsgehilfe“ weltlicher Sehnsüchte zu versagen scheint. Ein „Gott“ unter vielen, ein italienischer „Hausgott“, Gegenstand der Persiflage. Wer das nicht. glauben will, lese die ge-nüßliche Darstellung der Obszönitäten auf Seite 209 und auf den folgenden Seiten, in deren Mitte eine von betrunkenen Bauarbeitern vollzogene „Kreuzigung“ als „Höhepunkt“ einer nächtlichen Orgie steht.

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