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IM STREIFLICHT

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IMMER deutlicher tritt das Problem hervor, immer klarer definiert es Sich selbst — das Problem der Kunstentwicklung, der Einstellung zu ihr. Eben wieder hat Wieland Wagner in Bayreuth ein angefochtenes Beispiel gegeben. Um die „moderne“ Ansicht auf einen Nenner zu bringen: Der Naturalismus auf der Bühne ist tot, Blätter aus leimgetränktem Leinen, fein säuberlich grün gespritzt, „echte" Stämme, aiw Sperrholz geschnitten, mit althergebrachten Tridcs konturiert und profiliert, wirken unecht und verstaubt. Bedarf es aber nicht auch besonderer Rücksichtnahme, eben der Phantasie, wenn man 6ich mit der altgewohnten Art der Bühnendekoration ab- finden will? Bedarf es nicht eben jener Phantasie des Beschauers, die unerläßlich ist, auch au6 der Stilisierung heraus wieder da6 Leben zu erkennen? Die von den Gewohnheiten gestützte Phantasie hat es nur leichter, zu einem „Urteil“ zu gelangen als die ganz auf sich selbst angewiesene. Von der Kunst wirklich ergriffen wird immer nur, wer die Stimmung ent-deckt, die den schaffenden Künstler bedrängte. Diese Ent-deckung, wohl zu beachten: eine aktive Handlung und Mithilfe des Beschauers, macht doch erst den Anreiz aus, die Erregung, die Erweckung des Kunstwerks zum Leben. Ehrlich und unvoreingenommen — was bleibt uns heute von den Naturimitationen übrig als kaum ein Ritzer an unserer Oberfläche, ein leeres ,Wie schön!“ entlockend. Eventuell kaufen wir solch ein Bild eines x-beliebigen Gartens, nageln es an die Wand, reden uns ein, die Reportage der Natur entspreche unserem Empfinden, die mangelnde Gestaltung bedeute uns nichts — und sind in den Garten der Kunst nie eingekehrt. Soll man sich nicht Mühe geben zu erkennen, ehe man den wohlaufgezogenen Faden seiner Meinung abspult? Hätte man das nämlich nie getan, so wäre die Welt stehengeblieben genau zu dem Zeitpunkt, als Gott sprach: Es werde Licht.

WAS den Salzburger Festspielen noch fehlt:7 eine repräsentative Buch- oder besser: Kunstbuchausstellung, die den Fremden einen Überblick über die österreichische Buchproduktion geben könnte — es erscheinen doch zum Beispiel immer wieder neue, zumeist ohnehin mehrsprachige Lichtbildbücher über die Schönheiten österreichischer Landschaft und die Schätze unserer Kultur —, Bücher, die wahrhaftig nicht nur finanzieller Erwägungen halber einer solchen Ausstellung wert wären. Schön wäre es auch, wollte man in Zukunft dieser oder jener Dichterlesung einen bescheidenen Platz im Rahmen der Festspiele zuweisen. Heuer fanden lediglich drei Lesungen — Waggerl, Schönwiese und Ginzkey — statt, die, obwohl sie nicht in Zusammenhang mit den Festspielen standen, ausgezeichneten Besuch nicht nur von Inländern aufwiesen. Warum sJll man derlei Gelegenheiten versäumen, bei denen man den Lorbeerkränzen der Salzburger Festspiele neue Blätter einfügen könnte?

DIE obdachlosen Lyriker — wenigstens einige von ihnen —, die niemand haben will, weil ein Gedichtband heute wie ehemals schwör abzusetzen ist, sie haben ein Asyl gefunden. Das Kulturamt der Stadt Linz gibt auf eigene Rechnung und Gefahr eine Serie heraus: schöne, sauber gedruckte, broschierte Bändchen im Umfang von einem bis zwei Druckbogen. An Stelle des Honorars erhält der Autor eine größere Anzahl von Freiexemplaren, dafür bleibt das weitere Verfügungsrecht (Copyright) beim Verfasser, Eine lobenswerte Initiative. Sechs Bändchen sind erschienen. MögeTi weitere folgen!

DEDAUERLICHERWEISE wurden im Jahr H 1873 die Bleifiguren des Donner-Brunnens auf dem Neuen Markt in Wien durch Bronzefiguren ersetzt, während die ersteren ins Barockmuseum wanderten. Bedauerlicherweise, denn die Bleifiguren waren wesentlich schöner als die bronzenen. Außerdem versicherte alle Welt, daß diese „Umsiedlung" völlig ohne Grund erfolgt sei. Das jetzige Jahr hat dem Brunnen einen neuen Schlag versetzt: das Bassin ist leer, die Fische 6peien kein Wasser aus ihren Rachen. Staubschichten überziehen Figuren und Bassin. Warum man den Brunnen nicht laufen läßt, ist nicht klar, denn er war bereits lange vor der Wassersparaktion eingestellt. Tot liegt er inmitten des Platzes. Und doch würde nur ein Wink von oben genügen, um ihn wieder zu erwecken.

AN der Pfarrkirche in Wien-Baumgarten, einem neuromanischen Bau, befindet sich an der linken äußeren Seitenwand ein gotisches Epitaph (der letzte Rest der alten, abgerissenen Baumgartner Kirche), darstellend Anna Selbdritt, aus der Zeit um 1510, wahrscheinlich aus der Schule des „Meisters von Viauer . Ein kleines, schmales Dach über dem Epitaph soll es vor den Unbilden der Witterung schützen, eine Aufgabe, die es nur unvollkommen zu erfüllen scheint. Denn das Epitaph ist schon recht angegriffen. Wenig Seid würde wohl genügen, um es zu restaurieren. Wo findet sich ein Mäzen?

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