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IM STREIFLICHT

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DIE „21 Direktoren" des österreichischen Runet funks sind in der letzten Woche Gegenstand zahlreicher Glossen und Federsticheleien geworden. In Wirklichkeit sind es gar nicht 21, sondern weit weniger, denn die neuen Programmleiter sind nicht so ohne weiteres mit „Direktoren" gleichzusetzen. Auch aus der Tatsache, daß jedem von ihnen ein Stellvertreter beigegeben wurde, sollte m'an dem Rundfunk noch keinen Vorwurf machen. Auch sollen sie sich, so hört man, erst kurz vor ihrer Ernennung in eine rechte und linke Gruppe gegliedert haben, um den Parteien das Proporzspiel zu erleichtern. Nein, das alles ist wirklich nicht so schlimm. Betrüblich ist nur eines — dies wenigstens soll die Ansicht der Portiere und Putzfrauen der Argentinierstraße sein —r, daß sich der Proporz nicht auch auf die kleinen Angestellten erstreckt. Sie hätten nichts dagegen gehabt, wenn auch ihnen immer ein Kollege beigegeben worden wäre. Arbeit gebe es in Hülle und Fülle.

DER Exhibitionismus mancher zeitgenössischer

Schriftsteller — wir denken etwa an Köstlers oder Hans Habes Selbstdarstellungen — kann, auch wenn manches auf den Leser absolut peinlich wirkt, für den Psychologen, den Kulturhistoriker und den Soziologen von Interesse sein. Aus vielen solcher Röntgenbilder kann einmal der „Befund" (die „Krankengeschichte") dieser bewegten Zeit rekonstruiert werden. Die große Mode des „Auspackens" greift aber auch auf Gebiete über, wo man sie als höchst überflüssig empfindet. Da teilt uns zum Beispiel — in einem Konzertprogramm! — ein in Wien konzertierender Pianist mit, daß er seinen eigenen Flügel, wie die Schnecke ihr Haus, in einem Autoanhänger stets mit sich führt, kreuz und quer durch Europa; daß er seinen Urlaub seit mehreren Jahren in Tanger zu verbringen pflegt; daß er außer seiner Muttersprache, dem Polnischen, auch sehr gut französisch und englisch spricht, sich aber auch auf deutsch und spanisch verständigen kann; und daß er regen Anteil an der internationalen Politik sowie an den Wirtschaftsund Finanzfragen der Länder, die er besucht, nimmt. „N. liebt das Paradoxe", heißt es zum Schluß dieses mitteilungsreichen Konzertprogramms, „er würde ebenso willig auch eine These unterstützen, die nicht die seine ist, doch ist er prinzipiell der Meinung, daß es am besten ist, keine prinzipielle Meinung zu haben." Nun, wir sind der prinzipiellen Meinung, daß Plaudereien dieser Art in einem seriösen Konzertprogramm nichts zu suchen haben, und sind nicht gewillt, auch die entgegengesetzte These gelten zu lassen.

AUF einem Programmzettel des „Volks- theaters"lesen wir: „Das Dorf ohne Männer" (Uraufführung), Komödie in sieben Bildern von Oedön von Horvath. Musik und musikalische Leitung: Robert Leukauf. Man hat, neben der anerkennenswerten Initiative, auch die Förderung eines zeitgenössischen österreichischen Komponisten nicht vergessen. Dieser schöne Brauch scheint sich im „Volkstheater" einzubürgern. Sehr zum Nutzen auch der Auf- führung, denn nichts ist so geeignet, die Pausen zwischen den einzelnen Bildern zu füllen (die modernen Theaterautoren bevorzugen ja die Form der dramatischen Suite) und mehr als das: auf die kommende Szene einzustimmen als ein musikalisches Zwischenspiel. Auch trägt eine Bühnenmusik, wenn sie talentiert und prägnant ist, sehr zur Intensivierung des dramatischen Geschehens oder einer Stimmung bei — im Sinne jener Wirkung des „Theaters als Gesamtkunstwerk" —, die doch wohl jeder ambitionierte Regisseur anstrebt.

DIE Prämiierung von Shakespeares „Romeo und Julia" auf der heurigen Biennale und die österreichische Erstaufführung der neuerlichen Verfilmung von „Julius Cäsar" gibt Anlaß zu folgender reizvoller Zahlenspielerei: Zehnmal wurde bisher „Romeo und Julia” verfilmt, je siebenmal „Hamlet" und „Der Widerspenstigen Zähmung", je sechsmal „Macbeth" und „Ein Sommernachtstraum", je viermal „Othello" und „Julius Cäsar" und je einmal „Heinrich V.", „Der Kaufmann von Venedig", „König Lear", „Sturm", „Wie es euch gefällt" und „Wintermärchen" — das ergibt insgesamt 50 Shakespeare-Verfilmungen. Man schwankt: Spricht das für die geistige Unmündigkeit oder die Ambition des Films? Oder gibt es gar spezifische „filmische Elemente" bei Shakespeare? Etwa: die Morde am laufenden Band (bei Hamlet bleibt ja fast nur das Publikum lebend zurück) oder die klassischen Liebesszenen? So oder so: Schiller (Jeanne d’Arc) und Shakespeare gelten als die gesuchtesten Drehbuchautoren; Hollywood meint außerdem noch: die Propheten und die vier Evangelisten …

IM ersten Halbjahr 1953 besuchten 25,875.475 A Personen die Wiener Kinos, in der gleichen Zeitspanne 1954 dagegen nur 25, 035.323. In den Theatern stieg der Besuch zur selben Zeit von 827.806 auf 858.873 Personen. — Diese Zahlen entstammen einer offiziösen Statistik. Dagegen wird die Nachricht, daß man bereits an einen „Filmgroschen" denke, den die Theaterbesucher für die notleidenden Kinos zu bezahlen hätten, als Gerücht, mindestens aber als verfrüht bezeichnet …

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