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Land der Vater und der Sohne

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Die Kirche war diesem Lande immer in besonderem Maße verbunden. Die Kirche hat mit ihm Zeiten der Freude und Zeiten des Leides geteilt. Das Schicksal des Landes war immer auch das Schicksal der Kirche. Die Kirche hat gemeinsam mit dem Land und seinem Volk Bedrängnis und Unterdrückung erlitten. Die das Land auslöschen wollten, die wollten auch die Kirche auslöschen in diesem Lande. Aber die Kirche ist gemeinsam mit diesem Land aus Not, Unterdrückung und Verfolgung wieder in das Licht der Freiheit getreten. Die Kirche hat die bitteren Stunden der Bedrängnis, die dunklen Nächte der Verfolgung, das harte Brot der Entbehrung mit diesem Lande geteilt. Von ihren Türmen haben dann aber auch die Glocken der Freiheit geläutet, in ihren Domen ist das Tedeum für das wiedererstandene Vaterland erklungen.

Die Katholiken haben für die Freiheit dieses Landes Opfer gebracht. Sie werden diese Freiheit auch zu verteidigen wissen. Dieses Land ist nicht unser Land allein. Jeder, der sich zu ihm bekennt, soll uns willkommen sein. Wir werden aber niemandem gestatten, unser Bekenntnis für dieses Vaterland in Zweifel zu ziehen.

Die Väter haben um dieses Land In oft hartem gegensätzlichem Kampf gestritten. Sie haben für dieses Land in später Erkenntnis dann gemeinsam auch gelitten. Der Jugend aber ist dieses gemeinsame Vaterland heute zum selbstverständlichen Besitz geworden, natürlicher Lebensraum, gemeinsame Heimat.

An euch, an die Jugend des Landes, wende ich mich. Jungsein allein ist kein Verdienst, aber Altsein ist es ebensowenig. Jugend aber ist Hoffnung und Chance.

Ihr seid die Hoffnung des Landes, ihr seid die Chance der Kirche! Beugt euch vor den Opfern der Väter, ehrt ihre Kämpfe um Sinn und Gestalt dieses Landes! Versteht, begreift, achtet und ehrt! Aber wehrt euch, wenn es um euer Leben und um euere Zukunft geht! Euer Leben ist nicht das Leben eurer Väter! Ihre Zeit nicht eure Zeit, ihre Kämpfe nicht eure Kämpfe, ihre Fehler nicht eure Fehler! Ihr tragt nicht Schuld an der tragischen Hypothek dieses Landes, ihr seid nicht schuld an 1927, 1934, 1938 und 1945! Wehrt euch dagegen, wenn man von euch verlangt, ihr sollt den Streit der Väter fortsetzen, ihren Haß weitertragen, ihren Kampf weiterführen. Was habt ihr damit zu schaffen? Ihr habt Besseres zu tun, als euch von neudrapierten Gespenstern der Vergangenheit verführen oder erschrecken zu lassen; Klügeres, als Geister zu beschwören; Gesünderes, als euch vom Leichengift infizieren zu lassen. Die Vergangenheit sollen jene bewältigen, die eine Vergangenheit haben. Ihr aber habt die Zukunft!

Wehrt euch aber auch gegen jene, die euch die Zukunft stehlen wollen, indem sie eure Gegenwart lähmen und vergiften, die euch taub machen wollen, indem sie euch die Ohren vollplärren mit marktschreierischen Anpreisungen, die euch blind machen wollen mit immer grelleren Bildern, die euch lok-ken wollen mit der Verführung: „Genießt! Genießt alles bis aufs letzte! Wir liefern es euch, vorfabriziert von der Stange, Mode, Alkohol, Sex!“

Das ist das große Geschäft unserer Zeit, und ihr, die Jugend, ihr bezahlt es mit eurem Geld, mit eurer Freizeit, mit eurer Gesundheit, mit eurer Zukunft.

Ihr seid jung, ihr sollt euch freuen! Freuen eurer Jugend, eurer Kräfte, eurer Sinne! Aber es soll eure Freude sein und nicht die Freude der Geschäftemacher! Laßt euch euren Traum von Leben und Liebe nicht rauben von gerissenen Traumfabrikanten. Laßt euch nicht vorschreiben, was ihr denken und fühlen, was ihr tun und lassen sollt, von jenen, die aus eurem Denken, Fühlen und Handeln nur klingende Münze schlagen. Sagt nein zu den Geschäften um Geschlecht und Genuß!

Ihr wißt, daß echte Freude nur aus dem Inneren kommen kann, daß alles Große nur aus der Anstrengung erwächst, daß die freie Wahl und damit auch der freie Verzicht die Grundlage jedes sinnvollen Lebens sind. An dem Staat aber ist es, dafür Sorge zu tragen, daß die Geschäfte weniger nicht das Glück und die Zukunft vieler gefährden. Schon heute muß der Staat Millionenbeträge für die Opfer des Alkoholismus ausgeben. Die Opfer der großen Verführungsindustrie unserer Zeit sind untergrabene Gesundheit, zerstörte Familien, gescheiterte Ehen, verlassene Kinder. Das Opfer ist die Zukunft des Landes!

Ihr wißt, daß man auf die Dauer nichts geschenkt bekommt und daß man mit Geld allein nicht das Glück und nicht die Liebe kaufen kann und auch nicht die Freiheit, das Recht und die Demokratie. Daß man letztlich nur so viel bekommt, als man bereit ist zu geben! Der Einsatz des Menschen ist der einzige Einsatz, der zählt. Dieser Einsatz aber muß ganz sein.

Euer Bekenntnis zu diesem Land wird dieses Land vor Not und Gefahr nicht retten, wenn ihr nicht bereit seid, dieses Bekenntnis durch tätige Mitarbeit am Leben der Gemeinschaft glaubhaft zu machen. Euer Bekenntnis zur Demokratie wird eine Phrase bleiben, wenn ihr es nicht als eure Pflicht anseht, die Rechte, die euch die Demokratie gibt, auch zu gebrauchen.

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