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Gottesstreik

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Eines Tages hat Gott genug davon gehabt - von all den Gebeten, die da ständig zu ihm aufgestiegen sind. „Jetzt reicht es mir, jetzt ist das Maß voll", hat er gesagt. „Das würde den Menschenkindern so passen. Alles soll ich tun, und sie legen fromm und faul die Hände in den Schoß. Und dabei tun sie gerade so, als würde ich ständig meine Pflichten als „Herrgott" vernachlässigen, oder als sei ich schon ein vergeßlicher, alter Herr, den man dauernd daran erinnern muß, was er tun soll:

„Vater im Himmel, wir beten zu dir für die Leiter der Staaten und Völker, für die Wissenschaftler, die Lehrer, die Familien.

Vater im Himmel, hilf den Armen, den Kranken, den Einsamen, den Verfolgten, den Fremden, den Gefangenen!"

„Ja tut doch ihr einmal etwas. Sagt doch nicht immer ,Gott-vertrauen, wenn ihr in Wirklichkeit nur eure eigene Bequemlichkeit und Feigheit meint."

„Ich soll mich um die Politiker kümmern?" - hat Gott weiter gesagt, „daß sie nicht auf Macht aus sind. Ja sagt es doch selber euren Politikern, was euch stört an ihnen. Oder wählt sie nicht mehr oder verweigert ihnen einfach die Gefolgschaft.

Und den Frieden im Nahen Ostensollichjetztschaffen. Und ihr habt tatenlos zugesehen, wie eure Politiker jahrelang blendende Waffengeschäfte mit dem Irak gemacht haben.

Ihr betet für die Armen? Gebt ihnen lieber etwas von eurem Wohlstand. Ihr betet für die Einsamen? Geht sie doch besuchen und lernt sie einmal kennen. Ihr betet für die Fremden? So ladet sie doch zu euch ein, aber nicht nur zu Weihnachten. Ihr betet für die Verfolgten? Habt ihr schon etwas von Amnesty International gehört? Aber das sind längst nicht alle Aufgaben, die ihr mir übertragen wollt:

Da ist die gefährdete Umwelt zu retten; und die Weltwirtschaft umzustrukturieren, um den Hunger erfolgreich zu bekämpfen; die enormen Rüstungsausgaben abzubauen; Vertrauen zu schaffen, und und...

Da waren die Menschenkinder schon recht erschrocken, daß ihr „ lieber" Gott auf einmal nicht mehr mitspielen wollte. Das war sozusagen gegen die Abmachung. Denn davon waren die „Christenkinder" doch überzeugt: nämlich daß die Atheisten alles selber tun müssen, während sie selbst erfreulicherweise jederzeit ihren Gott einsetzen können.

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