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Falsche und wahre Kirche

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Wir könnten bisweilen den Eindruck gewinnen, daß das Leben in der nachkonziliaren Kirche bedeutend von dem Geschehen auf Kal- varia ab weicht; daß die heutige Kirche ihre Forderungen herabsetzt und die Probleme nicht mehr entsprechend dem Willen des lebendigen Gottes, sondern nach menschlichen Möglichkeiten löst; daß sie über die Fehler ihrer Kinder und Diener — Priester, Bischöfe und Ordensleute — hinwegsieht; daß sogar das Credo elastisch und die christliche Ethik relativ geworden sind. In der Presse unseres Landes und der Welt f indet man Meinungen verschiedener Theologen, die, häufig ohne Resultat, die Wahrheit über die Kirche suchen und in ihren Ausführungen vor allem Zeugnis ihrer Unwissenheit geben. Die Kirche, die diese Autoren beschreiben, ist eine Kirche im Nebel. Eine Kirche ohne die steinernen Tafeln des Dekalogs. Eine Kirche, die vor der Sünde ihre Augen verschließt und Angst hat vor dem Vorwurf, traditionalistisch, rückständig und unmodern zu sein. Eine Kirche von sich streitenden Theologen und nicht von Lehrern der Wahrheit, deren Ja ein Ja — und deren Nein ein Nein ist.

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Wir könnten bisweilen den Eindruck gewinnen, daß das Leben in der nachkonziliaren Kirche bedeutend von dem Geschehen auf Kal- varia ab weicht; daß die heutige Kirche ihre Forderungen herabsetzt und die Probleme nicht mehr entsprechend dem Willen des lebendigen Gottes, sondern nach menschlichen Möglichkeiten löst; daß sie über die Fehler ihrer Kinder und Diener — Priester, Bischöfe und Ordensleute — hinwegsieht; daß sogar das Credo elastisch und die christliche Ethik relativ geworden sind. In der Presse unseres Landes und der Welt f indet man Meinungen verschiedener Theologen, die, häufig ohne Resultat, die Wahrheit über die Kirche suchen und in ihren Ausführungen vor allem Zeugnis ihrer Unwissenheit geben. Die Kirche, die diese Autoren beschreiben, ist eine Kirche im Nebel. Eine Kirche ohne die steinernen Tafeln des Dekalogs. Eine Kirche, die vor der Sünde ihre Augen verschließt und Angst hat vor dem Vorwurf, traditionalistisch, rückständig und unmodern zu sein. Eine Kirche von sich streitenden Theologen und nicht von Lehrern der Wahrheit, deren Ja ein Ja — und deren Nein ein Nein ist.

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Trotz dieses künstlichen Nebels der Zweifel und Unsicherheiten kann der gläubige Mensch noch immer das wahre Antlitz der nachkonziliaren Kirche entdecken. Diese Kirche hat die Ehre, unter ihren Kardinalen tapfere Bekenner, Märtyrer und Gefangene zu zählen. Als Beispiel stelle ich einige von ihnen vor:

Unlängst starb in der Tschechoslowakei Kardinal Trochta. Beinahe sein ganzes Bischofsleben hat er in Gefängnissen und Konzentrationslagern zugebracht. Er wurde aus seiner Diözese verjagt und zur Zwangsarbeit in einer Fabrik verurteilt. Als er dort eintrat, wußten die Arbeiter, daß er nicht als Arbeiterpriester gekommen war, um ihnen im Kampf um das Brot Konkurrenz zu machen, sondern daß er in die Fabrik verbannt worden war. Seine einzige Schuld bestand darin, daß er Bischof der Kirche Christi war.

Auch Kardinal Stepinac war Gefangener und Verbannter. Er wurde begraben in seiner Kathedrale in Zagreb. Die Blumen und Kerzen auf seinem Grab erinnern an Auferstehung und Leben. Er wurde von seinem Bischofssitz vertrieben, weil er ein Bischof war, der Christus bekannte.

Fern von seinem Bischofssitz starb der Erzbischof von Prag, Kardinal Beran, Gefangener des Konzentrationslagers Dachau und Gefangener der heutigen Zeit. Seine Schuld bestand darin, daß er Bischof war und Christus bekannte. Er ist im Ruf der Heiligkeit gestorben. Auch Kardinal Mindszenty, Primas von Ungarn, war ein Gefangener und wurde von seinem Bischofssitz entfernt. Warum? War er ein Verbrecher? Ein Feind seines Volkes und Vaterlandes? Nein, er war Bischof und bekannte Christus.

Und Kardinal Slipyj, Erzbischof von Lemberg, war mehr als zwanzig Jahre lang Verbannter und Gefangener. Jetzt lebt er außerhalb seiner Heimat. Warum? Immer wieder warum? Eine ehrliche Antwort geben die Feiglinge darauf nie. Das ist die wahre nachkonziliare Kirche. Gott selbst beantwortete die Frage, wie diese Kirche aussehen soll, als er Kardinale an die Front schickte, die um Christi willen Bekenner, Gefangene, Märtyrer wurden.

Erliegt nicht der Täuschung, Studenten und Studentinnen, daß Euer Personalausweis und Eure akademische Legitimation aussagen, wer Ihr seid. Wer Ihr seid und woher Ihr kommt, kann Euch nur der Geist Gottes sagen, der in Euch wirkt, Euer Gewissen berührt und Euer Gemüt belebt. Es ist die Zeit gekommen, daß Ihr ohne Furcht sprechen sollt, denn der Mensch verfällt der Minderwertigkeit, wenn er sich selbst nicht achtet, wenn er seine menschliche Würde und ihre Rechte nicht verteidigt.

Die Zeit ist gekommen, daß Ihr in der Unordnung des intellektuellen, moralischen und gesellschaftlichen Lebens endlich die Stimme erhebt und Euren Kollegen und Kolleginnen sagt: Habt Achtung vor Eurer Würde, denn Ihr kommt aus der Hand des himmlischen Vaters.

Es ist die Zeit gekommen, daß Ihr zueinander sagt: Kollegen, achtet unsere Kolleginnen, denn sie sind die künftigen Mütter des neuen Polen und wir möchten, daß Polen wiedergeboren wird von reinen Müttern, die sich selbst bewahren können und durch ihre Haltung die Achtung der Umgebung erwerben.

Es ist die Zeit gekommen, daß Ihr Euren Erziehern und Professoren sagt: Lehrt uns die Wahrheit und ruiniert uns nicht. Nehmt uns nicht den Glauben. Zerstört nicht unseren christlichen und moralischen Lebensstil durch einen albernen Laizismus, dessen Sinn niemand versteht und für dessen Propaganda man soviel Geld ausgibt. Nehmt uns nicht den Glauben an den lebendigen Gott.

Es ist die Zeit gekommen, daß Ihr sogar Euren Eltern sagen sollt: Wenn ihr uns nicht christlich erziehen könnt, weil ihr es nicht versteht oder keine Zeit dafür habt, dann schwächt wenigstens nicht durch eure Berechnung unseren Mut, den Glauben zu bekennen. Entmutigt uns nicht, damit wir nicht für ein Linsengericht die Würde verkaufen, die Gott uns gegeben hat.

Die größte Sünde ist nicht der Unglaube, der ein persönliches Unglück oder menschliche Unwissenheit sein kann, sondern die Organisation des Unglaubens, die Aufstellung atheistischer Programme, die Unterstützung des atheistischen Systems mit allen gesellschaftlichen und öffentlichen Mitteln. Diese Mittel sind dem Staat nicht anvertraut, um den Glauben an Gott zu vernichten, sondern um die öffentliche Ordnung zu erhalten, nicht, um niederzureißen, sondern um aufzubauen.

Es ist die Zeit gekommen, da Ihr auch uns Geistlichen und Bischöfen, mutig sagen sollt: Eure Nachsicht gegenüber der Verweichlichung des Lebens gefällt uns nicht. Wir akzeptieren nicht, daß euch der Mut fehlt, Forderungen an uns zu stellen. Wenn ihr Fehler an uns seht, zeigt sie uns, denn dazu seid ihr da! Wir wollen keine Seelsorger, die es nicht wagen, an unsere Opferbereitschaft zu appellieren.

Es ist die Zeit gekommen, daß Ihr sogar denen die Wahrheit sagen sollt, die Euch unten* dem Vorwand sozialer Tätigkeit an Sonn- und Feiertagen von der Freizeit und vom Gotteshaus abhalten. Sie geben Euch Spitzhacken in die Hände und heißen Euch Gräben auszuheben und Kabel zu verlegen. Das ist keine Jugendarbeit, die wirtschaftlich zu verantworten ist. Man nimmt Euch die notwendige Zeit der Erholung, die Atempause, das Gemeinschaftsleben im Kreise der Familie, die Stärkung der Kräfte nach der anstrengenden Arbeitswoche, den Kontakt mit Familie, Gotteshaus und Eucharistie.

Es ist notwendig, all dieses mutig zu sagen. Denn die größten Feinde des Vaterlandes, des Volkes und des Staates sind die Feiglinge und die schweigenden Bürger, die nicht den Mut haben, geradeheraus zu sagen: Ihr dürft das nicht tun! Ihr habt kein Recht, unter dem Vorwand sozialen Einsatzes Zwangsarbeit zu organisieren. Ihr habt kein Recht, in Polen, anstatt die Arbeitszeit zu verkürzen, die Sonntagsruhe abzuschaffen. Sind wir denn tatsächlich so unmodern und wirtschaftlich so unfähig geworden, daß wir zur Sklaverei zurück- kehren müssen?

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