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Schuld und Sühne

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RAGNHILD. Roman von Olav D u u n. Aus dem Norwegischen übersetzt von Sophie Angermann. Mit einem Nachwort von Max Tau. Walter-Verlag, Olten. 476 Seiten.

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RAGNHILD. Roman von Olav D u u n. Aus dem Norwegischen übersetzt von Sophie Angermann. Mit einem Nachwort von Max Tau. Walter-Verlag, Olten. 476 Seiten.

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Olav Duuns große Romantrilogie „Ragnhild“, die erstmals 1948 in deutscher Übersetzung erschien, liegt jetzt auch in der „Reihe Weltliteratur“ des Walter-Verlages vor. Duun, den Sigrid Undset den größten norwegischen Epiker der Gegenwart genannt hat, schildert in seinen Romanen und Erzählungen in unvergleichlicher Weise Menschen, Landschaft und Atmosphäre in seiner Heimat. Aber sein Werk hat nichts zu tun mit landläufiger „Heimatdichtung“ oder gar der Blut- und Boden-Literatur unseligen Angedenkens. Er zeigt den Menschen im Spielfeld dämonischer Mächte und immer zugleich den Ausweg aus den Verhängnissen in der Annahme des Leidens und im Opfer, die zur eigenen Läuterung und zur Wandlung der Mitmenschen führen.

Nirgendwo ist Duun das bewegender und überzeugender gelungen als in der Geschichte der Fjordbäuerin Ragnhild, die, um ihren Mann vor dem unheilvollen Einfluß seines abgründig bösen Vaters zu retten, diesen tötet. Haakon, ihr Mann, zwingt sie, dafür ins Zuchthaus zu gehen. Die furchtbare Tat scheint vergeblich, denn das neue gemeinsame Leben, das die Eheleute nach der Verbüßung von Ragnhilds Gefängnisstrafe beginnen, ist durch die Last der Vergangenheit und durch die Schwäche Haakons allzusehr belastet. Erst als sie alles aufgeben — alles das, was der Bauer Haakon durch seine Spekulationen verspielt hat — als sie arm und ganz einfach wirklich einen Neuanfang setzen, wenden sich die Dinge zum Guten. Ragnhild erreicht durch ihre innere Stärke und Konsequenz, durch ihre Geduld und Zuversicht, aus ihrem Mann „einen Menschen“ zu machen, einen Menschen, der in der heilsamen Erkenntnis seines Versagens sich zu bescheiden lernt und dadurch das ihm Mögliche zu- wegebringt.

„Haakon mußte plötzlich lächeln . .. Jetzt endlich konnte er das, ja, aber es tat abscheulich weh. Er lächelte sich selbst zu, aber er lächelte zugleich auch der Welt und der ganzen Herrlichkeit zu . .. Und so trat er den Leuten entgegen, derselbe Mensch, der er früher gewesen war, aber dennoch ein ganz anderer. Ihm kam es so vor, als hätte er sich aufgerichtet und ginge auf den Fußspitzen. Das kam nur daher, daß er mit dem Kopf über das hinwegschaute, was für ihn Recht oder Unrecht gewesen war. So hatte auch Ragnhild sich aufgerichtet, ein für allemal, und war ihren Weg gegangen. Nichts ist doch größer als der Mensch, keiner hat je gemessen, wie groß er ist, das erkannte Haakon jetzt…“

So wird dieses Buch — die Geschichte einer großen Schuld und Sühne — zu einem Lobgesang auf das Leben, dessen düstere Verhängnisse die Liebe zu überwinden vermag; auf das Leben, das groß und herrlich ist mit all seinen Schwierigkeiten und Problemen.

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