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Der österreichische Rundfunk lebt jetzt in einem Zwischenreich, in einer Übergangssituation, man könnte auch sagen, in einem Tran-sistorium, hätte dieses Wort nicht ein bestimmtes Copyright. Die bisherigen Gewaltigen von Hörfunk und Fernsehen sind plötzlich, etwas sehr plötzlich, von der Bühne verschwunden. Der neue Generalintendant wollte ihnen eine weitere Tätigkeit bei sehr beschränkten Vollmachten nicht zumuten, wie er — nicht ganz überzeugend — auf seiner Pressekonferenz sagte. Und die neuen Herren stehen zwar praktisch schon fest, auch das war aus der Pressekonferenz herauszuhören; theoretisch aber müssen sie erst einreichen, vom Generalintendanten vorgeschlagen und vom Aufsichtsrat bestätigt werden. Das dauert noch seine Zeit.

Da die vorösterliche Woche im Fernsehen stark von den Übertragungen der Eishockeyweltmeisterschaft geprägt war und sich der Rezensent weder die fachmännischen Fähigkeiten zutraut, darüber kenntnisreich zu berichten, noch ein Interesse vortäuschen möchte, das er, und, wie er fürchtet, auch die überwiegende Mehrzahl der Fernseher, nicht in überragendem Maße aufbringt, sei es gestattet, aus diesem augenblicklichen Niemandsland in das vergangene Jemandsland zurückzublik-ken.

Wir alle haben auf das österreichische Fernsehen weidlich geschimpft. Jetzt aber, da uns die neuen Herren bestätigen, wie recht wir damit gehabt hätten, jetzt dünkt uns, daß es gar so schlecht eigentlich nicht gewesen sei. Stammt eine solche Einsicht bloß aus der Sentimentalität des Österreichers, der in der Vergangenheit, auch in der schlechtesten, noch immer einen verklärenden Schimmer der „guten alten Zeit“ sehen will und der zum Beispiel auch den abziehenden Russen im Herbst 1955 mit einer versteckten Träne im Auge nachwinkte? Nein, solche Vergleiche wollen wir auf die vergangene Ära gewiß nicht anwenden. Sie war so schlecht nicht, wie wir sie oft gemacht haben, so dunkel nicht, daß man sie uns heute verfinstern will. Dort, wo das österreichische Fernsehen schlecht war, war es nicht schlechter als ein schlechtes Fernsehprogramm anderer Länder, und wo es gut war, konnte es jeden Vergleich auch mit den Spitzenleistungen anderer Stationen aushalten. Schlechter ist es erst geworden, als der soziale Krebs Österreichs, die Cliquenwirtschaft politischer und persönlicher Art, dag sonst noch weitgehend gesunde Gewebe künstlerischer Ambition und gesellschaftlicher Verantwortung durchfraß. Aber auch der neue Herr wird uns erst beweisen müssen, wie weit er gegen diesen Krebs tatsächlich immun ist.

Wirklich zu wünschen übrig gelassen hat der Nachrichtendienst. Dort haben sich organisatorische und persönliche Mängel multipliziert. Wenn der neue Generalintendant dort durchgreifen will, hat er gewiß recht. Hier wird er aber auch neben der Zustimmung im allgemeinen mit einer kritischen Wachsamkeit im einzelnen rechnen müssen. Manche Namen, die genannt wurden, lassen eine solche Wachsamkeit ratsam erscheinen.

Eine Reform des Nachrichtendienstes muß schon bei der Sprache beginnen. Was hier in letzter Zeit gesündigt wurde, läßt einen erschauern. Nur zwei Beispiele, was die Aussprache betrifft: So wird das „Y“ in allen Worten, auch dort, wo es mit dem Griechischen überhaupt nichts zu tun hat, als „Ü“ ausgesprochen. Wissen Sie, wo „Übbs“ liegt? Wenn Sie ins „Wirgental“ wollen oder nach „Willgraten“ nach Osttirol, dann fahren Sie am besten über „Willach“. Im österreichischen Fernsehen wird nämlich „V“ in allen Wörtern, die außerhalb des Sprachschatzes des Sprechers zu liegen scheinen, prinzipiell als „W“ gesprochen. Altösterreichs letzter Kavalier, Elmayer-Vestenbrugg, wurde nach seinem Tode zu einem „Westenbrugg“. Wissen Sie, was die „Weste“ Lichtenstein ist? Kein romantisches Gilet, sondern eine romantische Burg auf dem Weg von Wien nach „Wöslau“.

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