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Ohne Kalkül mit der Masse

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GEORG BÜCHNER, EINE DEUTSCHE REVOLUTION. Von Kasimir E dich m ld. Verlag Kurt Desch, München, lf»66. 530 Selten, gebunden.

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GEORG BÜCHNER, EINE DEUTSCHE REVOLUTION. Von Kasimir E dich m ld. Verlag Kurt Desch, München, lf»66. 530 Selten, gebunden.

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Im letzten Lebensmonat des im 76. Lebensjahr in Vulpera (Engadin) verstorbenen Dichters legt der Desch-Verlag, der auch sonst die Werke Edschmids betreut hat, ein bereits 1950 unter dem Titel „Wenn es Rosen sind, werden sie blühen“ erschienenes Werk vor, bei dem es schwer ist, eine literarische Zuweisung vorzunehmen. Wenn man versucht, eine Kategorisierung im Sinn der konventionellen literarischen Gattungsraster durchzuführen, kann man das Buch sowohl dem historischen Roman als auch der in Romanform gegossenen geistigen Auseinandersetzung mit den sozialen und politischen Problemen kleindeutschen Partikularismus’ und Despotismus’ des 19. Jahrhunderts zuweisen.

Gegenstand des Romans ist der Aufbruch deutscher Intellektueller gegen großherzoglich-hessische Despotie, verdichtet in der mißlungenen Verschwörung von 1834, die durch ein Manifest von Georg Büchner im „Hessischen Landboten“ proklamiert worden ist. Die Handlung ist vom Dichter insoweit in einer interessanten Weise aufgelockert worden, als er die Hauptpersonen die Handlungsabläufe jeweils in Ichform schildern läßt (zum Beispiel „Franz Zeuner berichtet über Rektor Wei- dings Audienz beim Großherzog“) und die Verlaufsschilderung selbst weitgehend in Dialoge auflöst. Durch diese Darstellungstechnik wird sowohl der Prozeßablauf in einer augenscheinlichen Weise sichtbar, als auch ein Abbild der geistigen Auseinandersetzungen, das Für und Wider einer Rechtfertigung etablierter Macht und politisch noch standortlosen Intellektualismus, geboten.

Die Hauptfiguren sind der Sozialrevolutionär Pastor Weidig und der sprachgewiltige, wenn auch nurintellektuelle Georg Büchner. Die Figur Weidings hat im Roman Edschmids ein erheblich größeres Bedeutungsgewicht als jene Büchners, dessen Heroismus eher als ein verbaler hingestellt wird. Daher könnte das Buch ebenso „Pastor Weidig“ genannt werden; dieser ist nicht nur der Kopf der Verschwörung von 1834, sondern eigentlich der einzige Mann unter den Männern der versuchten Rebellion.

Hinter der Handlung und den Dialogen steht, diese bestimmend, das scheinbare und in ihrer Natur begründete Unvermögen der Deutschen, so etwas wie einen allgemeinen, auch von den Massen mitgetra- gonen Aufstand wider die Tyrannen zu unternehmen. Alles Bemühen,

soziale Eigengruppe und distanzierten sich eindeutig gegen den „Pöbel“. Man sagte „Arme“, meinte aber nur das sich nunmehr einer literarischen Darstellung bestens anbietende Abstraktum „Armut“.

Die Sprache Edschmids ist vollendet. An einigen Stellen werden jedoch in die fingierten zeitgenössischen Schilderungen der Akteure von diesen moderne Termini eingefügt, ein Umstand, der die angestrebte Simulation stört.

Mit dem vorliegenden Buch hat der verstorbene Ehrenpräsident der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung und des Deutschen PEN-Klubs ein Stück Welt in der Weise seines Expressionismus vorgestellt, aber nicht mehr, wie er sonst es getan hat, die große Welt, sondern das Terrain seiner engeren Heimat. Gleichzeitig erweist der Dichter hessischen Freiheitshelden in literarischer Form Reverenz, um dadurch seine Liberalität zu bekunden.

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