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„Osterreich—dein Herz ist Wien“

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...lautet der Titel einer Sendereihe des österreichischen Rundfunks, die etwa vor einem Jahrzehnt regelmäßig als Ringsendung über alle Sender der Bundesländer ausgestrahlt wurde. Sie war nach dem Urteil von Fachleuten allerorts gern gehört und hat keinerlei föderalistische Proteste heraufbeschworen.

Wie würde wohl heute das Motto „Österreich — dein Herz ist Wien“ in den Bundesländern ankommen? Damals — ja, da war noch in allen die Freude darüber lebendig, daß die Heimat ihre Souveränität wiedererlangt hatte und Wien wieder die frei zugängliche Hauptstadt eines freien Landes war. Heute, da dies längst zur Selbstverständlichkeit geworden ist, wacht, man sehr über den föderalistischen Rechten und würde eine in Funk oder Fernsehen geäußerte Selbstbeurteilung Wiens als „Herz Österreichs“ wohl als typisch zentralistische Anmaßung zurückweisen.

Welche Rolle kommt Wien aber nun wirklich im österreichischen Staatsganzen zu, wenn man das Thema sine ira et studio betrachtet? Nun, Wien ist zunächst Sitz der Bundesregierung und anderer administrativer und bürokratischer Zentralstellen. Manche Wiener „Raunzer“ sehen gerade darin die Ursache aller Aversionen gegen die Bundeshauptstadt und wünschten sich eine Lösung, wie etwa in der Schweiz oder in Amerika, wo Zürich, beziehungsweise New York eben nicht auch Regierungssitz ist.

Dies ist zweifellos eine etwas oberflächliche Betrachtung, wenn sie auch ein Körnchen Wahrheit in sich birgt. Wenn Wien und die Bundesländer einander bisweilen in einer Art polaren Spannungsverhältnisses gegenüberstehen, so muß das andere und tiefere Ursachen haben. Bekanntlich verwechselt man in manchen Teilen der Welt „Austria“ nicht selten mit „Australia“. Will man dieser Gefahr aus dem Wege gehen, tut man gut daran, dort mit dem Namen „Vienna“ zu operieren. Das ist tatsächlich in aller Welt ein fest umrissener Begriff, der sogleich mit Musik, Walzer, Johann Strauß, Sängerknaben, allenfalls auch mit Schnitzel, Kaffeehaus und Heurigem assoziiert wird. Dies ist eine Gegebenheit, die sich alle Werbung für Österreich im Ausland zunutze machen kann und muß. Wer darin eine Herabsetzung oder Bagatellisierung der Schönheiten und kulturellen Werte der anderen Bundesländer sehen wollte, möge doch einmal über die Grenzen unseres kleinen Landes hinaussehen: welcher Franzose, wo immer er auch zu Hause ist, wäre beleidigt, wenn man Paris preist und zum Sinnbild der Nation erhebt, welcher Italiener ist nicht stolz auf die „ewige Stadt“? Muß es mit den Österreichern und Wien anders sein?

Meiner Meinung nach durchaus nicht, und ich bin überzeugt, daß wir zur gleichen Einstellung kommen werden. In der „Haupt- und Residenzstadt“ des 54-Millionen-Reiches der Monarchie sammelten sich organisch die Kunstschätze und Kulturgüter, die noch heute alle Besucher Wiens in ihren Bann ziehen. Vor allem aber zog die Stadt Menschen an, Künstler, Gelehrte, Techniker, Unternehmer, Menschen aus allen österreichischen Landen, aber auch Menschen anderer Nationen. Ein Blick in das Wiener Telefonbuch beweist die ethnische Vielfalt, die die Bevölkerung als Ganzes charakterisiert. Es ist natürlich, daß Wien dadurch von einem gleichsam kosmopolitischen Geist erfüllt wurde, den man trotz aller politischen Umwälzungen der letzten Dezennien noch heute spürt.

Ist es das, was manche Landsleute in den Bundesländern an Wien stört? Vielleicht — sicher aber zu Unrecht! Diese kosmopolitische Atmosphäre der Bundeshauptstadt ist nämlich eine welthistorische Chance für die gesamte Republik. Unsere Neutralität erhält auf diesem Hintergrund eine besondere Attraktivität, die Wien bereits zu einer der beliebtesten europäischen Kongreßstädte gemacht hat, einflußreiche übernationale Organisationen sich hier ansiedeln läßt und aus Österreichs Bundeshauptstadt vielleicht bald — so hoffen und wünschen wir — die europäische UNO-Stadt machen wird. Wenn die Wiener Festwochen heuer unter dem Motto „Nachbarn an der Donau“ zu rund tausend verschiedenen Veranstaltungen laden werden, geschieht dies im vollen Bewußtsein der Mission Wiens, Brücke zwischen Ost und West, Nord und Süd zu sein. Daß auf diesem Wege der vielleicht entscheidende Beitrag zur wirtschaftlichen Prosperität des Landes, nicht zuletzt auf dem Sektor des Fremdenverkehrs geleistet wird, wird früher oder später allen Österreichern zwischen Bodensee und Neusiedlersee deutlich werden.

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