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„Planete“ - Flucht in die Magie

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In Zeiten der Unsicherheit, politischer Wirren und ideologischer Kämpfe werden geistig ungefestigte und seelisch labile Menschen leicht Opfer falscher Propheten und aller möglichen Scharlatanerien. Eine betont materialistische Lebensweise vermag dann nur schleoht die hinter ihr brütenden Zweifel und Lebensängste zu verbergen. Deshalb mag es vielleicht gar kein Widerspruch sein, wenn Frankreich, das Land Descar-tes' und der Enzyklopädisten, im kontinentalen westlichen Kulturbereich zu denjenigen Nationen gezählt werden muß, wo Sterndeuter, Wahrsager, Kartenschläger und Gesundbeter ein besonders starkes Echo bei den Massen zu finden vermögen.

Die sozialen Umschichtungen nach dem zweiten Weltkrieg haben nun zwischen den Polen einer integeren Elite und der primitiven Klasse der Kleingläubigen dem Emporkommen einer dritten geistigen Gruppe Auftrieb gegeben, die sich vornehmlich aus Halbgebildeten und Autodidakten rekrutiert. Den Mystikern dieser Schichte fehlen die Voraussetzungen einer traditionell gewachsenen Kultur, um in den esoterischen Kreis der wirklichen Elite vordringen zu können. Auf der anderen Seite ist ihr Wissen und der selbsterrungene Bildungsstand zu hoch, als daß sie den Lockungen der Jahrmarktzauberer und Handliniendeuter verfallen könnten.

Editionen in allen Sprachen

Dem geistigen Bedarf dieser Mittelschicht der Autodidakten, emporgekommener Kader im neuzeitlichen Wirtschaftsleben und bestimmten Vertretern freier Berufe — wir haben wohlweislich immer die Labilen unter ihnen im Auge! — entsprach 1961 die Gründung der Zweimonatszeitschrift „Planete“. Bei ihrem Erscheinen zählte ihre Auflage 8000 Exemplare, jetzt werden (bei 30.000 Abonnenten) insgesamt 105.000 Exemplare verkauft. Eine Italienische Ausgabe, „Pianeta“, weist 20.000 Stück auf und eine für südamerikanische Leser bestimmte Ausgabe in spanischer Sprache erfreut sich bereits einer Auflage von 40.000 Exemplaren. Der ungewöhnlich starke Geschäftserfolg in diesen Ländern hat nun die Herausgeber veranlaßt, eine Ausgabe „Planet“ in deutscher Sprache und eine „Plane-tule“ für die Niederlande vorzubereiten.

Der Verlag gibt sich jedoch — durch das starke Echo ermuntert — nicht damit zufrieden, die Zeitschrift herzustellen und zu verkaufen, sondern hat Schritte unternommen, um einer Art „Plonete“-Gemeinde auf internationaler Basis Leben zu geben. Ab 1963 wurde eine fortlaufend erscheinende „Planete“-

Enzyklopädie gegründet, die jetzt 30.000 feste Abonnenten zählt und alle zwei Monate ein Buch herausbringt. Die Titel dieser Bücher geben Aufschluß über den Charakter des merkwürdigen Unternehmens: „Profil der Zukunft“, „Die geheimen Gesellschaften“, „Woher kommt die

Menschheit?“, „Drei Milliarden Leben“, „Unsere unbekannten Kräfte“, „Der Kosmos und das Leben“ usw. Es werden in Frankreich und im Ausland Versammlungen veranstaltet, und zwei Feriendörfer der Reisevereinigung „Club Mediterrannee“ verfügen über ein von „Planete“ inspiriertes astrologisches und informatorisches Seminar. Schließlich wurde Anfang 1964 der Zusammenschluß zu einer Gruppe verwirklicht, der unter dem Namen „Franzosen des 20. Jahrhunderts“ mehrere „geistesverwandte“ Organisationen angehören und zwar: „Club Mediterrannee“ (350.000 Feriengäste, 200.000 ständige Mitglieder), „Jeunesses musicales de France“ (250.000 Mitglieder), „Club des amis du livre“ (200.000 Mitglieder) und „Planete“. Alle Mitgliedsorganisationen bezeichnen sich als „überpolitisch“ und „überkonfessionell“.

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