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Poesie — eine Dimension des Lebens

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DAS POETISCHE IN DER KUNST. Essays zur Kunst von Wieland Schmied. Mit vier Bildtafeln nach Blättern von Anton Lehmden. 158 Seiten, Leinen. Preis 7.50 DM. - FENSTER INS UNSICHTBARE. Betrachtungen zur Kunst der Christen. Von Wieland Schmied. Mit 16 Bildtafeln. 151 Seiten, Leinen. Preis 7.50 DM. Beide im Verlag Glock und Lutz, Nürnberg. - LINKS UND RECHTS DIE NACHT. Gedichte, Essays, • Erzählungen, Gleichnisse. Von Wieland Schmied. Stiasny-Bücherei im Stiasny-Verlag, Graz und Wien. 127 Seiten. Preis 15 S.

„Die universale Anschauung der Poesie als Lebensinbegriff und Lebensinbrunst ist in den mediterranen Ländern selbstverständlicher als bei uns. wo dem Wort Poesie etwas vom Beigeschmack vergilbter Mädchenalben anhaftet“, notiert Wieland Schmied in dem erstgenannten Werk, dessen Essays in Gedankenreihen von Les-singscher Eleganz zu dem Schluß führen, Poesie sei nicht allein eine Sache des Wortes, „sondern eine Dimension des Lebens“. Sein Unterfangen, dem hierzulande verflachten, geistig verödeten Begriff „Poesie“ bis auf den Grund zu schauen, mag zunächst ebenso verwegen wie undankbar erscheinen, sind wir es doch gewohnt, der Abnützung und dem Sterben ganzer Wortkategorien zwar erschrocken, doch mit der Ohnmacht derer, die sich einer lautlos-zähen Naturkatastrophe gegenüberbefinden, zuzuschauen.

Schmied sieht unsere Welt durch solche Vorgänge in ihrer Seinsmitte getroffen, sieht sich persönlich herausgefordert, wissend, daß Geist nur stirbt, wo der Mensch ihn sterben läßt, und daß die Verflachung von Begriffen, die einen Teil unserer Existenz ausmachen, eine elementare Bedrohung unserer Welt darstellen. Darum zieht er aus, dein Begriff Poesie seine archaische Kraft und Würde zurückzuerobern — ihn in einem vielschichtigen Kampf um Deutungen bereichernd, die unser Jahrhundert hinzuentdeckt hat. Ganz nebenbei fallen ihm zahlreiche Gedanken zu, über die geistige Verwandtschaft zwischen Klee und Caspar David Friedrich zum Beispiel, über notwendige Abgrenzung des Mythischen gegen Fehldeutungen oder über die Bedeutung eines so selbständigen Dichters wie Hans C. Artmann innerhalb der modernen Poetik, gelingen ihm Durch- und Querblicke durch das Gefüge der Künste, die in mancher prominenter Schrift der letzten lahrzehnte vergeblich zu suchen wären.

„Gerade über christliche Kunst sollte überprüfbar gesprochen werden. Wo Glaubensfragen hineinspielen, drängen sich allzuleicht die Frömmler, Eiferer, Verwässerer und Schöngeister ein“, heißt es in den Betrachtungen zur Kunst der Christen „Fenster ins Unsichtbare“. Hier wie in allen seinen kritisch-analytischen Essays weist sich der Au;or als Denker von Präzision, als Feind alles Verschwommenen aus. So scharf seine Angriffe, etwa gegen den abstrakten Akademismus der modernen Kunst, „der dem des 19. Jahrhunderts an Langeweile nicht nachsteht“, auch sein mögen, Schmied bleibt nicht bei der Analyse stehen, sondern sucht stets (wo nicht anders möglich, ehrlicherweise nur in Ansätzen) zur Integration der einander scheinbar widersprechenden Phänomene des Geistes in die Ganzheit des Lebens, die sein ureigentliches Glaubensbekenntnis ist, zu gelangen. Wenn er beispielsweise dem bildenden Künstler, der, ehe er sich ans Werk macht und während er schafft, eine Vorstellung des Bildes besitzt, den Tachisten gegenüberstellt mit den Worten: „Der Tachist ist blind. Dieser Verlust an Sehfähigkeit, an Imagination gerade in unserer so sehr aufs Optische ausgerichteten Zivilisation ist ein alarmierendes Zeichen“, oder wenn er feststellt: „Die neu erwachende Empfänglichkeit für das Religiöse ist noch keineswegs christlich“ — so sehen wir auch hier den Beobachter, der den Dingen unnachsichtlich auf den Grund geht, ausgestattet mit einem sensiblen Kompaß, dessen Nadel unverrückbar auf einen Punkt zeigt, zu jener Wurzel hin, aus der die Erscheinungen des Daseins gemeinsam entspringen: „Wirklichkeit und Sinnbild gehören zusammen — das Sinnbildliche ist die Erfüllung der Wirklichkeit.“

Gedichte, Essays, Erzählungen und Gleichnisse sind der Inhalt des Bändchens Nr. 93, „Links und rechts die Nacht“, der Stiasny-Bücherei. Der Wert der Zusammenstellung liegt auch darin, daß sie Arbeiten aus verschiedenen Schaffensperioden Schmieds vereinigt. Die Erzählungen, von hoher gedanklicher Zucht, haben, das ist charakteristisch, Gleichnischarakter, sie kommen nicht aus dem unmittelbaren, sondern aus dem geistig verwalteten und damit überhöhten Erlebnis, bemüht, nicht nur Akzente zu setzen, sondern Fundamente, die den Zweck haben, ein Leben zu tragen, das Leben schlechthin. Hier spürt man noch deutlicher als in den Essays der vorgenannten Bände, daß Wieland Schmied, der Österreicher, der sich auf Wanderjahre in die Welt begeben hat, für eine durchaus österreichische Aufgabe prädestiniert erscheint. Für die Aufgabe, nicht innerhalb national und regional gebundener, zeitlich limitierter Denk- .und Kulturschemata zu agieren, sondern als historisch denkender Kopf Vergangenheit bis zu den Ursprüngen der Geschichte mit der Gegenwart, Fernes und Nahes in eins zu schauen.

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