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„Rebellen“ im Rundfunk
Genau wie über den Film geht auch über den Rundfunk die Diskussion, ob er al6 Kunst, Unterhaltung oder Kunstgewerbe zu werten sei, und die heute schon verhängnisvolle Trennung der Begriffe Kunst und Unterhaltung — diese (im Extrem) als ästhetischgeistiges Erlebnis intellektualisierender Eso-teriker, jene als platte Circense6 geistig steckengebliebener Phäaken — wird darin deutlich sichtbar. Es scheint eine der wesentlichsten Aufgaben des Rundfunks im öffentlichen Leben zu sein, diese Kluft zu überbrücken, ohne einem der beiden Faktoren Abbruch zu tun.
Die letzten Wochen brachten einige in diesem Sinn sehr beachtenswerte Sendungen. Nestroys „Der Schützling“, anläßlich seines 150. Geburtstages (Ravag), zeigte deutlich die Möglichkeiten des Rundfunks. Geist, Humor, Weisheit dieses „Wiener Aristo-phanes stecken im Wort (Nestroy ist kein leicht zu spielender Dichter); das Wort aber ist wieder die Domäne des Rundfunks und dort die Möglichkeit, die Tiefe seiner Apercu, ungestört durch — von Ne6troy selbst nicht sehr geschätzte — bühnenmäßige Zutaten, aufzublenden. In diesem Sinn war die Aufführung ausgezeichnet und verdienstvoll. Die Sendereihe .Hier spricht Utopia“ von Dr. Viktor Suchy (Ravag) wagt sich an die Analyse des Fortschrittsglaubens und löst ihn von innen her auf. Die zweite Sendung .Die Welt aus dem F 1 ä s c h-c h e n“ nach Aldous Huxiey zeigt, wohin die 6taatspoliti6che Normung des Menschen führt. Das Niveau der Sendung ist sehr hoch, ohne den Charakter des Hörspiels zu verlieren (bisweilen 6ich einschleichende kolportagehafte Phrasen müßten noch vermieden werden).
Gehörten diese beiden Sendungen dem .sanften Rebellen* Nestroy und dem Aufstand gegen die Utopien, zeigte T. S. Eliote „Familientag“ (Rot-Weiß-Rot Wien) die Rebellion gegen die Oberflächlichkeit, fredlich to einem sehr tiefen, fast apokalyptischen Sinn, in welchem Ordnung, die jeden Sinn verloren hat, zum Chaos wird. Die Aufführung dieses sehr schwierigen, in Form (Chor!) und Thema antiki6chen Stückes zeigt aber auch die Problematik des Rundfunks, indem es ohne die visuellen Geschehnisse der Bühne noch schwerer verständlich wird und leicht zu rhetorischen Äußerlichkeiten verleitet. Die starke Kürzung begegnete dieser Gefahr (die Aufführung war sehr intensiv), mußte aber auch manches Wesentliche weglassen. — Funktechnisch notwendige Kürzungen sind aber riskant; das zeigte die Aufführung von Arnold Schwengelers .Rebell in der Arche* (Rot-Weiß-Rot Salzburg). Noah nimmt aus Mitleid den Tyrannen des Landes in seine Arche, der durch sein Uberleben die Existenz Gottes widerlegen will. Um das Stück dramatisch, lebendig bleiben und nicht zu einem Debattierstück werden zu lassen, wurde der Hauptakzent auf die realen Geschehnisse gelegt, wodurch die wichtigen inneren Auseinandersetzungen nur gestreift werden konnten und zu blaß blieben. Die Aufführung war lebendig und gedämpft.
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