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Sorgenkind aller Literaturbeflissenen und -verantwortlichen in den Massenmedien ist das Buch und die — drastisch gesagt — Lesefaulheit eines recht beträchtlichen Prozentsatzes unserer Zeitgenossen. Letztere ist gleichsam ein Virus, der sich quer durch alle Sozial- und Bildungsschichten sowie sämtliche Altersstufen frißt. Sein Nährboden sind das vielzitierte Management, das vielgerühmte Spezialistentum und die vielverschriene Hektik unseres Jahrhunderts. Vor diesem Virenbefall ist keiner sicher, weder der Generaldirektor, noch sein Chefingenieur oder sein Werkmeister und ihr aller Hauptentschuldigungsgrund ist der vielverdammte Zeitmangel. In diesen massiven Verhinderungswall, vom Zement mangelnden Interesses fest zusammengehalten, versucht nun das Medium Fernsehen von den verschiedensten Ausgangsbasen her Breschen zu schlagen. In der vergangenen Woche wurde ein neu gespitzter Pfeil aus dem Köcher dieser literarischen Bildungsattacken über den Bildschirm geschickt. Die Sendung „Die Welt des Buchespräsentierte sich in einem frisch adaptierten Gewand. Der Auftakt, verkörpert in der Person des angenehm gescheiten und souveränen Präsentators Janko Musulin, war vielversprechend. Die optisch-akustische Demonstration einiger Schriftsteller und Rezensenten hielt dann leider nicht die hochgespannten Erwartungen. Ihre wesentlichen und zumeist auch pointiert formulierten Aussagen gingen an der fehlenden Vertrautheit mit der unbarmherzig decouvrierenden Kameralinse zugrunde. Damit aber erweist man weder dem Vortragenden und seinem Werk, noch dem Betrachter einen guten Dienst. Dies jedoch ist doch gerade die Aufgabe einer solchen Bildschirmsequenz, die ja schließlich die Beschäftigung mit der Literatur und speziell der Belletristik aus der Beschränkung auf einen wissenden und interessierten Minderheitenkreis in eine echte Breitenwirkung hinausführen soll. Um dieser Intensität willen sollte man in einem Sendeablauf auch lieber auf ein zahlenmäßig zu großes Angebot verzichten, zu Gunsten einer wirklich durchdachten und gestalteten optischen Auflösung sowie einer Konfrontation von Meinungen und Persönlichkeiten, wie dies zum Beispiel in dem überaus farbigen Beitrag zur Frage der Authentizität von Kafkas Stück „Flug um die Lampe“ in „Kultur — aktuell“ der Fall war. Vielleicht sollte man sich in dieser sehr notwendigen Buchsendung auch von solchen großartigen optischen Ingredienzien, wie sie in dem Artur-Rubinstein-Porträt „D i e Musik, mein Leben“ sichtbar wurden, inspirieren lassen. Kulturelle Leckerbissen unterstützt von einer subtil geführten Kamera sind zumeist die Dokumentationen von Marcel Duchateau, der aus Bauwerken und Stilen ein großangelegtes Bild menschlicher Entwicklung entstehen läßt. Großartig sein Gang zu den Quellen der italienischen Renaissance. Warum er freilich bei seinem Blick auf Venedig Wirken und Werk Tintorettos in der Scuola di San Rocco mit keiner Silbe erwähnte, bleibt bei der sonstigen Qualität seiner Gestaltungen unerklärlich.

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