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...und neues Leben wächst“?

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Von Zeit zu Zeit geht eine kleine Notiz durch die Spalten der Tagespresse des Westens, die vom Sterben eines alten Verlags in Leipzig berichtet, vom Ende eines einstmals weltberühmten Namens in Ostberlin.

Hie und da liest man, daß der eine oder andere Verlagsname im Westen Deutschlands wieder aufgetaucht ist, so etwa der um die deutsch-französische Verständigung hochverdiente Rauch-Verlag in Boppard, neuerdings auch Staackmann und viele, viele andere ...

Man wird dem stolz eine Liste von klangvollen Repräsentanten entgegenhalten, die heute noch ihren Sitz im Osten Deutschlands haben. Namen wohl, aber man wird betretenem Schweigen begegnen, wenn man nach der Produktion forscht. Es gibt noch einen Kiepenheuer-Verlag, einen Paul-List-Verlag, aber es gibt keine Bücher mehr, die dieser Traditionen nur im entferntesten würdig wären. Leere, ausgebrannte Fassaden oder Potemkinsche Dörfer.

Uber diesen ausgebrannten Ruinen erheben sich stolz die Betonmauern der staatlichen Monsterunternehmen, allen voran des Aufbau-Verlags, des kommunistischen Parteiverlags Dietz, der Verlage „Volk und Wissen“ und „Volk und Welt“. , ,

Sind die anderen Verlage, die einst den Ruf des demokratischen deutschen Kulturlandes mitbegründen halfen, eines natürlichen Todes gestorben? Sind sie, wie der Fachausdruck taktvoll sagt, „eingegangen“? Will das heutige Deutschland ihre Traditionen nicht mehr fortgeführt sehen? Oder hat man sie einfach brutal enteignet, gemordet?

Keine dieser Alternativfragen bringt die zutreffende Antwort. Man würde dem kaum noch verhüllten Kommunismus in der deutschen Ostzone unrecht tun, wollte man ihn der Bilderstürmerei zeihen. Die neuen Häuser brauchen die soliden Grundmauern der bürgerlichen Kulturepoche, sie brauchen vor allem die kreditwürdige Auslandsfassade. Man hat also nach den schweren Kriegs- und Bombenschäden sofort und zielbewußt mit einem materiellen Aufbau begonnen, man hat diese Verlage sehr oft mit staatlicher Hilfe zum Leben erweckt, zu einem Leben unter der Glasglocke, einem Leben im Naturschutzpark. Die Lebensadern des Käuferstroms aber sind von vorneherein abgebunden worden. Denn bereits wenige Monate, ja Wochen nach Kriegsende war der Aufbau-Verlag da. Er gehört offiziell dem Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands,jener breiten Plattform der Intelligenz, auf der Kommunisten wie Nichtkommu-nisten ihre tägliche Huldigung an den Sowjetstaat verrichten dürfen. Mit massivem Druck hat er seinen Auflagen eine Pflichtabnahme durch alle Bibliotheken, Ausleihstellen usw. gesichert und vertraglich festgelegt. Seine Bücher waren die ersten und einzigen in den frühen Nachkriegsschaufenstern. Sein Veriags-programm ist nach außen hin sehr vielseitig. Jedes Buch aber muß durch ein feinmaschiges Netz differenzierter Zensoren, die seine marxistisch-leninistische Rechtgläubigkeit, oder, wenn der Autor das Unglück hatte, vor Karl Marx zu leben, seine damals fortschrittlich-materialistische Tendenz, darüber hinaus aber auch, dem jeweiligen politischen Tagesdatum angepaßt, seine augenblickliche staatspolitische, innere und äußere Zu-lässigkeit oder Notwendigkeit überprüfen. Man begann mit Heinrich Heine und Heinrich Mann, ihm folgte in nicht endenwollender Reihe Johannes R. Becher lind wieder Becher. Und dann die bunte Reihe des Fortschritts. Anno 46 gehörte noch Erik Reger, der Herausgeber des Westberliner „Tagesspiegels“, mit seinem Ruhrindustrieroman zu den also Gewürdigten, aus Frankreich Vercors, aus den USA Upton Sinclair. Langsam wurde der bunte Haufen immer mehr gegliedert, formierte sich zum Marschblock, die eine oder andere Gestalt verschwand „rechts* oder „links“ in den Büschen. Heute sind die Reihen fest geschlossen. Der Ring schließt sich, würde Hamsun, den es für den deutschen Osten nicht mehr gibt, sagen.

Wen nimmt es Wunder, daß ein solcher Monopolverlag, dem noch eine ganze Reihe von kulturpolitischen Revuen und Zeitungen gehören, das wirkliche Gedeihen anderer Verlage abwürgen kann, zumal ihm die wenigen anderen Staatsoder Parteiverlage kräftige Schützenhilfe leisten. Man konstatiert hie und da mit bedenklich-besorgtem Kopfschütteln die mangelnde Jugendkraft der alten bürgerlichen Traditionsverlage, man verlängert ihr vegetierendes Dasein vor irgendeiner für das Ausland bestimmten Buchmesse durch eine subventionierende Spritze, und man erwartet arisonsten mit östlicher Geduld den langsam eintretenden Schwächetod. Die im rechten Augenblick auftretende Steuerkommission, die im rechten Augenblick ausbleibende Papierzuteilung ist dann die milde Euthanasie, wenn nicht der Patient selbst um die gnadenweise Tötung fleht. Einen „kommissarischen Leiter“ nannte man das vor tausend Jahren!

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