6583625-1951_32_08.jpg
Digital In Arbeit

VON NEUEN BÜCHERN

Werbung
Werbung
Werbung

Die Versuchung des Columba. Novelle von Paula von Preradovic. Otto-Müller-Verlag,

Salzburg 1951. 65 Seiten

Hier tritt der seltene Fall ein, daß die Geschichtsschreibung auf Grund eines späten Werkes ihr Urteil über eine Dichterpersönlichkeit in einem entscheidenden Punkte ändern muß. Wir waren gewohnt, die Dichterin Paula von Preradovic- bis zuletzt trotz des Romans „Pave und Pero“ (1940) und der „Kroatischen Königslegende“ (1950) doch als die repräsentative Lyrikerin Österreichs anzusehen, deren Werke von den südlich-satten Farben und Klängen der Heimat ihrer Vorfahren („Südlicher Sommer'' — 1929, „Dalmatinische Sonette“ — 1933) in kühnem Bogen über „Lob Gottes im Gebirge“ (1936) bis zur Fülle der Formen und Motive in „Ritter, Tod und Teufel“ (1946) reichte. Nun müssen wir erst an ihrem letzten Werk, „Die Versuchung des Columba“, erkennen, welche Künstlerin des novellistischen Kammerspiels, welche Virtuosin einer glutvoll-gebändigten Prosasprache wir an ihr verloren haben.

„Die Versuchung de6 Columba“ 6pielt in den sechziger Jahren des 6. Jahrhunderts, da der hl. Columba als Abt einer Mönchesiedlung auf der In6el Hy (Jona) an der Nordwestküste Schottlands strenge Zucht hält und sich eben zur ersten der beiden historischen Expeditionen ins Piktenland anschickt. In diesem persönlich und misisons-geschichtlich denkwürdigen Augenblick tritt an ihn die Versuchung in Ge6talt seiner Nichte Mauririti aus seiner irisren Heimat heran. Der herbe Duft des un. ergessenen Vaterlandes, der ganze süße Trotz einer Jungfrau au6 dem gleichen königlichen Geschlecht wie Columba, die unheimlich lockende heidnische Dämonie der noch nicht lange und lange noch nicht ganz von Patrick missio-

nierten irischen Insel stellen sich zum Kampf gegen den Glauben und die Sendung des Heiligen. Der Sieg Columbas ist hart erkämpft und mit hohem Preis bezahlt: im dreimaligen „großen Gebet“ ringt Columba den fremden Zauber und die Dämonen in seiner eigenen Brust (das Heimweh, den Prinzenstolz und den Zweifel an seiner Mission) nieder, die Ver6ucherin aber fällt, gereinigt und mit Gott und dem Oheim versöhnt, einer Sturmkatastrophe zum Opfer.

Der großartige Aufbau der Novelle preßt den Schauplatz und die Zeit auf ein Mindestmaß zusammen und peitscht die Ereignisse, die bei aller Klarheit und Strenge der logischen Abfolge gleichwohl von atemloser Spannung sind, von Stufe zu Stufe, bis zu der fast unerträglichen Ballung des Konflikts, der auf dem Höhepunkt überraschend umschlägt, 6ich entwirrt und löst. Noch der dramaturgisch anfechtbare „Uber-Schluß“, der Tod Maurinns nach ihrer Umkehr und Einkehr, ist psychologisch unentbehrlich: nun'ist da6 letzte Band Columbas zur Heimat durchschnitten, nun ist nichts mehr, was ihn von der bevorstehenden gefahrvollen Mission abhält, und „als der Winter vorbei war, trat er die Fahrt ins Piktenland an“ ...

Zu dem wuchtigen Vorwurf harmoniert die bedeutungsvoll-knappe, schmucklos strenge und schöne archaisierende Sprache restlos. So liegt in „Die Versuchung des Columba“ ein im Umfang nicht eben bedeutendes, nach Form und Inhalt aber schlechthin vollkommenes Meisterwerk der Dichterin vor, das ihren Tod am Beginne einer besonders gesegneten neuen Schaffensperiode äußerst beklagenswert erscheinen läßt.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung