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Wenn der EURO kommt
Wessen Brot ich ess', dessen Lied ich sing sagt ein mit aller Vorsicht schluckweise zu genießendes Sprichwort. Wobei „Brot", wie im „Vater unser", für alles Lebensnotwendige, wie im Sprichwort aber auch für Geld und allerlei Privilegien stehen kann. Das „Lied" hingegen steht auch für Rede, Artikel und Gutachten. Nicht, daß das alles lauter Lügen wären! Aber es hat eben jegliches Ding und Problem zwei Seiten - und im besagten Lied des im Brotlohn Stehenden neigt sich das Gewicht ganz zufällig ein wenig auf die Seite des Auftraggebers. Das ist gar nicht unmoralisch, das wissen mittlerweile längst alle Leute. Wer bezahlt denn schon für eine Meinung, die gegen ihn spricht? Nicht einmal von Funktionären, die von unser aller Steuergeld entlohnt werden, ist nach allem Für und Wider zu erarten, daß nicht der Standpunkt ihrer Partei zum Schluß wie der Phönix aus der Asche steigt. Oder hat je einer einen Unternehmer erlebt, der öffentlich die Ware seines Konkurrenten preist?
Kein Mensch von einigem Verstand in Österreich konnte erwarten, daß wir von Auftraggebern, die die EUBO-Währung einführen wollen, ablehnend über diesen EURO „aufgeklärt" würden. Wer das erwartet, der muß schon seine alten Schillinge zusammenkratzen und damit die Experten selbst bezahlen. Oder er muß ehrenamtliche Experten suchen. Oder, was immerhin denkbar wäre, es müßte für diese „Aufklärungsvorträ-ge" kostendeckender Eintritt verlangt werden. Es wäre immerhin interessant zu erfahren, wieviele Landsleute sich eine Information über den EURO auch einiges kosten lassen.
Ob also die Gage für die EURO-Vortragsexperten aus Brüssel oder aus Wien kommt ist eigentlich egal. Das einem vertragsfuchsigen Mißtrauen entsprungene Ungeschick der EU-Auftraggeber bestand nur darin, sich die Melodie des zu singenden Liedes vorher garantieren zu lassen, damit es da ja keine österreichischen Dissonanzen gebe. Solches Mißtrauen beweist nur, daß die in Brüssel den hierzulande vorauseilenden Gehorsam zu wenig kennen.
Doch wie das mit des Mediengeschickes Mächten so kommt: Mißtrauen gegen Mißtrauen! Und jetzt haben wir den Aufklärungssalat mit einem Überschuß Essig.
Angesichts der heiklen Arbeitsplatz-Situation hiesiger Sozialfälle wäre es vielleicht besser gewesen, mit dem Geld für die Aufklärungskampagne etliche beschäftigungslose Soziologen und Ökonomen zu engagieren. So unter Minderbemittelten unter sich hätte es sich leichter über den EURO geredet. Oder man hätte auch Bankangestellte aus der Devisenabteilung, die nach Einführung der Einheitswährung bald ihren Job verlieren, als Redner durch die Lande schicken können. Garantiert auch ohne schriftliche Garantie: die hätten sich mächtig engagiert, weil das persönliche Opfer stets die Glaubwürdigkeit erhöht. Mit einer beschäftigungspolitischen Wirkung der Kampagne hätte sicher auch die Gewerkschaft und die Arbeiterkammer mehr Freude gehabt als mit dem Zubrot für die großen Kapazunder!
Alles hat so schön begonnen. Österreich hat die neuen EURO-Scheine entworfen und wieder einmal seine europäische Sendung bewiesen. Und jetzt hauen uns die paar Millionen demnächst ohnehin ausgedienter Schillinge um. Sind wir nicht ein unglückliches Bummerl- und Pickerl-volk?
Ich hab' einen probaten Vorschlag: Wir brauchen die ganze „Aufklärungskampagne" überhaupt nicht. Erstens, weil der EURO ohnehin kommt und wir gewohnt sind, uns in unser Schicksal zu fügen. Und zweitens weil wir hierzulande genug Medien und Institutionen haben, die schon bisher bewiesen haben, daß sie uns über Änderungen und Neuerungen besser aufklären als staatliche Kampagnen Denn diese nähren ohnehin nur den Verdacht, daß der Staat wieder etwas im Schilde führt.
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