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Eine „Furche“ für alle
Es ist ein gutes Omen für den Beginn des dritten Jahrzehnts ihres Bestandes, daß die „Furche“ aus Anlaß ihres Jubiläums nicht einfach Begrüßungsadressen erbittet, wie dies so oft geschieht, sondern den Mut besitzt, die Gratulation als „Spruch und Widerspruch“ entgegenzunehmen. In dieser selbstkritischen Besinnung auf ihre Aufgabe liegen Chancen und Möglichkeiten für einen guten Start in die Zukunft, dessen Gelingen ich der „Furche“ am 20. Jahrestag ihres Bestandes aufrichtig wünsche.
Kein Zweifel: Auch wer im Laufe der Jahre der Redaktion nicht immer und nicht in allem folgen konnte, wird der „Furche“ ein Zeugnis nicht versagen können: an ihrem katholisch-weltanschaulichen Bekenntnis und an ihrer patriotisch-österreichischen Gesinnung war sie stets zu erkennen. Diese Linie verdankt sie ihrem Gründer, dem unvergeßlichen Dr. Friedrich Funder, und den Mitarbeitern, die durch seine Schule gegangen sind.
Es war ein dringendes Anliegen des Jahres 1945: dem österreichischen Katholizismus ein unabhängiges publizistisches Organ zu geben, in dem der Aufbruch der Katholiken zu einem neuen Selbstverständnis ihrer politischen, kulturellen und sozialen Rolle in der Zweiten Republik seine Formulierung finden sollte. So glaubten wir auch den Namen „Furche“, der an frische Aussaat und gute Ernte denken läßt, deuten zu sollen. Manche Frucht ist in diesen Jahren herangereift, die wir heute dankbar ernten. Manche Erwartung ist uns freilich versagt geblieben. Wir hätten den Wunsch gehabt, die „Furche' als ein Instrument zu sehen, in dem alle Meinungen und alle Schattierungen des österreichischen Katholizismus zu Worte kommen. Ich habe den Eindruck, daß in ihrem zweiten Jahrzehnt die Vertreter einer bestimmten Ausprägung katholischen Denkens und Handelns in einem Ausmaß zu Wort gekommen sind, das vielleicht nicht ganz im Verhältnis zu der tatsächlichen Zahl ihrer Anhänger unter den österreichischen Katholiken steht. Es liegt mir fern, das legitime Recht jeder Gruppe, Richtung und Strömung, ihre Auffassungen zu vertreten, zu bestreiten. Aber die „Furche“ soll nach meiner Meinung nicht das Sprachrohr eines Teiles, sondern die Stimme aller Katholiken in unserem Lande sein.
Die „Furche“-Krise des Vorjahrs hat im Pro und Kontra dieser Entwicklung eine Klärung gebracht, von der wir hoffen dürfen, daß sie eine Wende darstellt. Der Katholizismus in der modernen Welt steht heute, knapp vor der Beendigung des Zweiten Vatikanischen Konzils, im Zeichen eines vielfachen Dialogs. Die Kirche wendet sich an alle. Ich würde es sehr begrüßen, wenn die „Furche“, den Zeichen der Zeit folgend, in diesen Dialog miteintreten würde — ohne Beengung und nach allen Seiten hin den Reichtum der geistigen Substanz der katholischen Elite Österreichs verströmend. In einer solchen Haltung werden der „Furche“ alle ihre Freunde gerne folgen.
In diesem offenen Wort an unsere „Furche“ liegt ein aufrichtiger Wunsch: sie möge im Dialog der österreichischen Katholiken die große Chance einer guten Fortentwicklung sehen. Ad multos annos!
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