Keine Zeit für Wehmut

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"Straumēni" von Edvarts Virza im aktuellen Wiedergelesen.

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"Straumēni" von Edvarts Virza im aktuellen Wiedergelesen.

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In vier Kapiteln, die sich an den Jahreszeiten orientieren, erzählt der lettische Schriftsteller Edvarts Virza (1883-1940) in „Straumēni“ vom Leben auf einem Bauernhof im 19. Jahrhundert, als von Industrialisierung dort nichts zu spüren war. Es sind eigene Erfahrungen ins Buch eingeflossen, das sich als Rückblick auf eine verlorene Zeit lesen lässt. 1933 erschienen, ist „Straumēni“ längst ein Klassiker in Lettland, hierzulande weiß mit dem Namen des Verfassers kaum jemand etwas anzufangen. Er wurde sogar als ernsthafter Kandidat für den Literatur-Nobelpreis gehandelt.

Dass er zu Zeiten der Sowjetunion nicht veröffentlicht wurde, ist politischen Gründen geschuldet. Virza war kein naiver Autor, der dem Bäuerlichen huldigte als einer elementaren Kraft in der sozialistischen Gesellschaft, für ihn bildet das Ländliche die Basis für die Stärkung eines individuell lettischen Bewusstseins. So etwas ging gar nicht, zumal das Politbüro ja Eigenständigkeit der Völker unterbinden musste. Virza war kein großer Neuerer, der die Errungenschaften der Moderne in sein Schreiben aufgenommen hätte, ebenso wenig konservierte er konventionelle, überkommene Formen. In diesem Buch griff er neben der eigenen Erfahrung und den Berichten, die er von seinen Großeltern über das Leben auf dem Land behalten hatte, auf die Mythen und den Volksglauben zurück.

Große Gelassenheit, ja etwas Kontemplatives geht von dieser Literatur aus. Das hängt auch damit zusammen, dass auf keine Handlung Rücksicht genommen wird, die von Spannungselementen getragen werden muss. Das Gleichmaß der Form entspricht einem Alltag, in dem alles seinen vorgesehenen Verlauf nimmt. Sensationelles findet nicht statt. Als Beschönigungsprojekt wird das Buch dennoch nicht durchgehen. Dazu ist allzu deutlich zu sehen, wie hart die Arbeit ist und wie wenig Spielraum Menschen bekommen, wenn ihnen die Natur ihren Rhythmus diktiert. Deshalb die verhärteten Gestalten, deren hervorstechende Eigenschaft gewiss nicht Liebenswürdigkeit ist. Als der Band veröffentlicht wurde, war diese Zeit einer unverrückbaren Ordnung definitiv vorbei.

Wenn das Jahr symbolhaft für die Wiederkehr des Immergleichen steht, gerät sie in Widerspruch zu einer Gesellschaft, für die Natur inzwischen beherrschbar und manipulierbar geworden ist. Die Selbstverständlichkeit, mit der hinzunehmen ist, wie Natur die Spielregeln vorgibt, ist inzwischen dem Anspruch des Menschen, selbst oberste Autorität zu sein, gewichen. Hier bekommen die kleinen Dinge detailversessen noch einmal jede Aufmerksamkeit. So etwas können wir heute gut gebrauchen.

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