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Literarische Porträts
Die Aufsätze Herbert Ahls — der Großteil stammt aus den letzten drei Jahren — sind zuerst im „Diplomatischen Kurier“ erschienen, und die Autoren, denen sie gewidmet sind — von Altenberg bis Zwe-renz —, verdanken ihr Beachtet- und Betrachtetwerden sowohl dem Tagesinteresse als auch der Vorliebe oder der Verehrung des Verfassers. Dennoch ergeben sie in ihrer Gesamtheit einen guten Überblick über die Situation der deutschsprachigen Literatur unseres Jahrhunderts. Ahl ist kein Polemiker; er will darstellen, einführen in das Werk und Zugang schaffen zum Menschen, der es geschrieben hat. Einfühlsam geht er an sein Unterfangen, sein Bericht ist fundiert, sachlich und sprachlich durchformt, artet nie in Geschwätzigkeit aus und in die Sucht, um jeden Preis neue Aspekte aufzeigen zu wollen. Angenehm berührt, daß Ahl auch das Ohr besitzt für österreichische Eigenständigkeit und Eigenart; zehn von insgesamt 47 Porträts sind Österreichern gewidmet. Der am Waschzettel vermerkte Terminus „Kurzgeschichte der Literatur“ steht zu Recht, zumal der Verlag eine „Neue Folge“ der Porträts in Vorbereitung hat.
Die „Zueignungen“ von Walter Jens sind Nekrologe und als solche ein persönliches Anliegen des Tübinger Germanisten, dessen Name als Schriftsteller und Gelehrter gleicherweise einen guten Klang hat. Es sind die Porträts von elf Menschen, deren Tod in die letzten zwanzig Jahre fiel und die uns „wortwörtlich — zur Unzeit verließen“; was sie verbindet, ist ihre intensive Beziehung zur Sprache und ihr Menschentum: große Vorbilder also und große Sprachverwalter. Aus diesem Grund sind Freud und der Altphilologe Karl Reinhardt in diesen illustren literarischen Kreis aufgenommen, ist Döblins Lebenswanderung, die mit seinem Werk verschmilzt, aufgezeichnet. Brecht als Lyriker, Barlach als Dramatiker hervorgehoben. Für die fremdsprachige Literatur stehen die Namen Hemingway, Pavese und Camus, als erloschene Hoffnungen der deutschsprachigen Felix Hartlaub und Bruno Schulz, der polnische Jude aus der alten Monarchie, dessen verschollenes Werk kürzlich neu aufgelegt und damit neu zugänglich wurde, und von dem Jens sagt: „Ein halbes Jahrhundert nach Sarajewo scheint der Brunnen immer noch nicht versiegt zu sein. Österreich-Ungarn hat der Literatur einen neuen großen Schriftsteller geschenkt — und es wird (denkt man an Güterslohs Hauptwerk) nicht det letzte gewesen sein.“
Die sprachliche Brillanz der Jens'schen Porträts mag ein Satz aus seinem Tucholsky-Essay dokumentieren, mit dem er die schwierige Persönlichkeit dieses nicht nur an Namen reichen Satirikers als die eines Mannes definiert, „der über der roten Nelke im Knopfloch nie den Traum von der blauen Blume vergaß“.
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