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UNGLAUBLICH, ABER WAHR

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daß Alexander und Kolumbus mit Gordischem Knoten und Ei verfuhren, wie der Doktor Eisenbart mit seinen Patienten verfahren ist, aber deswegen doch niemals ausgelacht, sondern stets bewundert wurden,

daß immer schon die Völker wie die Hunnen hausten, wie die Türken, die Schweden, die Franzosen, die Deutschen,

daß — „Habe ich Sie nicht in Jelsa gesehen?“ Der Besuch aus Jugoslawien winkt beleidigt ab — jeder Mensch ganz unverwechselbar sein möchte,

daß die Ahnung kommenden Unglücks uns tiefer verzweifeln läßt als das Unglück selbst und wir daher nur Bei atni bedauern, nicht aber den ihm die Zukunft schildernden Greis,

daß oft Liebhabereien zu Leibhavarien führen,

daß aller Anfang leicht,

daß nur das Laster ernst, die Tugend heiter ist,

daß ich an die Berühmtheit des Dichters N. N. im Roman nicht glaube, weil ich seinen Namen nicht schon kannte,

daß wir Krankheit, Alter und Tod wie vorübergehende, andauernde und überhandnehmende Beschmutzungen ansehen — oder haben wir andere Begriffe?

daß wir am stärksten sein müssen, wenn wir am schwächsten sind — im Sterben,

daß wir trotzdem damit nicht Furore machen werden, obwohl es das Äußerste von uns abverlangt, und daß es uns jene darin zuvortun könnten, die wir jetzt verachten,

daß eine vollkommene Welt gar keine wäre, weil jede Welt auf Wert, und Wert auf Mangel beruht,

daß Glauben Nichtwissen ist, weil ein bewiesener Gott keiner wäre,

daß die Idee eines Gottes und der Heiligkeit der Welt deshalb für unser Gefühl so schlecht zu dieser Welt paßt — ebenso schlecht, wie die Idee der Liebe zu ihrem körperlichen Vollzug —, weil in unserem Denken Wirklichkeit und Möglichkeit gleichberechtigt sind, das Wirkliche uns daher nur wie zufällig aus dem Meer der Möglichkeiten herausgegriffen erscheint, mit anderen Worten, weil wir die Existenz als einen beinahe unwichtigen Spezialfall der Essenz betrachten — vor welchem Wahn, identische Fälle zu setzen, Nietzsche so eindringlich warnt,

daß für die1 Existenz Gottes der Umstand spricht, daß wir uns in der Welt nicht auskennen und einer sich doch auskennen muß, und es uns undenkbar erscheint, sie könnte sich, gleich Münchhausen, selbst aus dem Sumpf des ursprünglichen Chaos — sprich Nichts — gezogen haben,

daß der Unglaube seine Kraft aus dem Glauben schöpft.

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