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Werner Riemerschmid zum Siebzigsten

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Wenn man bei Werner Riemerschmid (der am 16. November seinen 70. Geburtstag feiert) vom Liberalen bis Zwiespältigen spricht, hat man recht und unrecht. Man hat recht, wenn man weiß, daß Riemerschmid selbst mit Vorliebe feste Standpunkte, im Sinne von festgefahrenen Positionen, angreift und persifliert, jedem Pro ein Kontra vorexerziert, ernst und witzig, bedächtig und zynisch, je nach Situation und Gestimmtheit die Weichen aus geordneten „im Guten verhärteten“ Bahnen hinausstellt. Er geht gern, wenn der Weg auch noch so breit ist, an seinem Rand, sollte er auch am Abgrund hinführen. Nichts irritiert ihn so wie „der genormte, unduldsame Durchschnittsbürger, der homo plebeji generis“, besonders peinlich, wenn er geistiger Provenienz ist, der mit seinem Phrasenregister allwissend renommiert und dekretiert, für alles, was augenblicklich aktuell ist und sowieso schon immer war.

Daraus jedoch eine chaotische Haltungslosigkeit ableiten zu wollen, wäre Unrecht. Eines verteidigt Riemerschmid immer: den Menschen, und zwar den der Freiheit des Geistes, der abendländischen Kultur, der humanistischen Bildung, verpflichtet der Antike. Dafür legte er als langjähriger Mitarbeiter des österreichischen Rundfunks von unbestreitbarem (heute etwas seltenem) Niveau allgemein bekanntes Zeugnis ab, ob er Reportagen sprach oder Dichter interpretierte oder eigene Produktionen sendete; legte er Zeugnis ab mit seinen hervorragenden Übersetzungen französischer, englischer und italienischer moderner Literatur, mit seinem von antikem Wissen und Geist durchtränktem Werk, das vielen Heutigen, die den Geist, vor allem in politicis, erst seit der Jahrhundertwende geboren meinen, schwer verständlich bleibt. Auf nichts reagiert er so scharf, mit Spott und Sarkasmus, mit strenger, in die Enge treibender, keineswegs automatisch denkfaul rasselnder Logik, wie auf die „Untergänge ohne Glanz und Würde“, die heute auch in Kreisen, von denen man es nicht erwarten sollte, üblich, aeiuorden sind. Seine Wahrheit ist, wie Holthusen einmal formuliert, eine offene Frage, die den Menschen immer wieder zwingt, neu mit dem Denken und der Entscheidung zu beginnen. „Jederzeit bereit sein, die Wegrichtung zu ändern! Das ist die einzig mögliche Losung, wenn die Gegend vom Feinde umstellt ist.“ Auch mit dem Risiko des Irrens.

So ist es kein Wunder, wenn der heute Siebzigjährige aus einer Einsamkeit, die schwermütig sein mag, sich aber den Adel bewahrt hat, auf das Treiben der wechselnden Jahreszeiten von „Himmel und Erde“ blickend seine unverwechselbare Gestalt geformt hat: „Es gibt kein chaotisches Kunstwerk. Aber jede Gestalt trägt ihr besonderes Gesetz.“

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