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AUS LETZTEN AUFZEICHNUNGEN 1948 bis 1949

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„Gedacht — getan“: damit wird man allein dem Gedanken gerecht. Die Existenz, die Tat und das Tatsächliche voranstellen, verkehrt die wahre Ordnung. Die Vollendung des Schlusses wäre aber erst, wenn es heifjt: „Gedacht — getan — und noch einmal gedacht.“ Das Werk ist der Gehilfe des Werkmeisters, nicht sein Meister.

Ein schlechter Musikant ist kein Einwand gegen die Musik, ein schlechter König kein Einwand gegen das Königtum, schlechte Menschen kein Einwand gegen das Menschentum.

Autorität soll nicht ins Autoritäre abgleiten; sie versinkt in ihm. Oder sie verbirgt sich unter gesetzlichen Formen und gibt sich damit ironisch.

Ohne Gotfvertrauen kein Vertrauen, auch kein Selbstvertrauen. Das Selbst ist das Beste, das Kostbarste in unserem Wesen, zumeist ein verborgener, ein vergrabener Schatz. Der Gottesgedanke ist die Wünschelrute, ihn zu entdecken, zu finden, zu heben. Hohes allein leuchtet in letzte Tiefen. Und hat man nicht den Menschen einen Tempel Gottes genannt?

In den Dogmen der Religion nimmt das überweltlich Gestaltlose Gestalf an, gewinnt das übermenschlich Göttliche menschliche Form, erscheint unbegrenzt Ewiges, das ungeschiedene Eine, als geschieden und Vieles,

Vor der Sprache sind die Dinge, ohne welche sie uns stumm bleibt, vor der Sprache auch die Begriffe, ohne welche sie uns dunkel bleibt. Die Sprache ist nicht der erste Quell, aus dem Verständnis zu schöpfen wäre; sie mufj uns stumm und dunkel bleiben, für sich allein, auch wenn sie selbst aus höchstem Verständnis erflossen wäre, wenn nicht vorher auf unmittelbaren Wegen zu ihm gefunden: dann aber beginnt sie zu sprechen und aufzuleuchten, einem Leuchtfeuer gleich, das zeigt, dafj man auf rechter Fahrt sei. — So sei es in Sonderheit den Schriftgläubigen gesagt, als Rat, vorher tat- und denkgläubig zu sein.

Viel Worte sind wie Spreu im Winde; unter ihr kein Korn, dem ein Gedanke entkeimen könnte. Vergeblich jedes Wort, das nicht zu seinem Ursprung zurückkehrt, in ihm verschwindet.

In der Parteinahme begibt man sich der freien Entschliefjung und steht im Banne einer Gruppe von Menschen, von Dingen, von Meinungen, die man nicht gründlich nimmt, nicht aus Gründen erkennt, nicht quf Gründe stützt, und aus ihnen nicht zu bauen vermag. Man hat den Boden verloren, auf dem es ein sicheres Stehen gibt, hat die Fühlung nicht mehr mit den Elementen der Dinge. Man lebt in einem Kollektivum, ist nicht mehr eingefügt einem Organischen, um in ihm lebendiges Glied zu sein. Es gibf kein Wurzeln im Vergangenen, kein Bauen am Zukünftigen. Was sich so dünkt, ist kraftlose Romantik. Es gibt dann ein Reden von Zeitaltern, ein Schwärmen wohl für sie, dem aber die Wärme fehlt, weil das Verständnis. Alles wird zur Phrase, zu leerem Wortschwall. Romantik herrscht nicht nur in Literatur, auch in der Politik, in der Historie, in den Wissenschaften, in der Technik, im Erwerbsleben, von der Geschlechtsliebe gar nicht zu reden. In all dem ist persönliches Interesse mitbeteiligt uhd auch dieses blolj romantisch. Die Persönlichkeit selbst wird zu einem Kollektivum von Interessen. Ein Kollektivum ist nie ein Ganzes, ist ein Vieles ohne Einheit.

Ein übler und doch der gebräuchlichste Handel: Vollwertige' bedanken zu Markte , bringerv und- mit wert losem Phrasen dafür bezahlt werden. Mit Lob meint-man ihnen Gehalt zu geben. Verstand aber will mit Verständnis gelohnt sein, nicht mit Lob. Damit wird ihm heimgezahlt; man isf froh, ihn so billig los zu werden, ja dünkf sich überdies noch sein wohlwollender Patron. Ins Angesicht ist ihm nichts zu sagen; zeigt er doch stets nur seinen Rücken.

Das „Zeitgemäße“ wird der Zeit nicht gerecht. Wie sollte auch gerecht sein, wenn,nicht verachtet wird, was in ihr Verachtung verdient. Was allein- in ihr zu achten, isf doch immer ein Zeitloses, das sich mit der Tagesmode nicht gemein macht. Die Diener des Tages werden wohl von ihm reichlich gelohnt — sind sie dann aber etwas anderes als Tagelöhner? — die Tagesgröfjen mögen es sich gesagt sein lassen. Sie sind Arbeiter, die auf Wink und Befehl arbeiten, wenn es hochkommt, Nutztieren gleichend.

Die menschliche Sprache isf ein kostbarer Schatz, jedes ihrer Worte gemünztes Gold. Ihr Vollgewicht leichtnehmen, heifjt den Schatz vergeuden. Und der Münze ein falsches Gepräge geben, heifjt sie als Gotfeswort, aus Gottes Münzstätte, aufjer Kurs setzen.

Was ohne Fafbe ist, kann jede Farbe annehmen; wo Stille, kann jeder Ton rein erklingen; was ohne Gestalt, ist jeder Gestalt fähig; Leeres nur ist zu füllen: das Nichts ist das Gefäfj alles Seienden. Nicht aus dem Nichts, wohl aber in das Nichts allein konnte eine Allmacht das Allmögliche stellen, konnte das Nichts, die allgemeine Leere, durch sie erfüllt werden, nur im Nichts konnte Alles werden. — Nur dadurch, dafj der Mensch quodammodo nihil, ist er auch quodammodo omnia: Nichts und Alles. Ein Nichts vor der Welt für die Weif; ein Nichts nach der Welt für die Ueberwelt. Nur irdische Vollendung schafft Raum für die überirdische. Das der Sinn davon, dafj Gnade die Natur zur Voraussetzung hat. Die Welt ist mit all ihren Uebeln zugelassen, weil sie Gottes Walten und Seine Seligkeiten zu-läfjt. Armut im Geiste, Reinheit im Herzen ihre Bedingung. Es fordert Sättigung durch die Welt, damit Geist und Herz nach ihr nicht mehr begehre. Doch mufj es die rechte Welt sein,

Der rechte Weg, der die Kraft gibf, ihn zu Ende zu gehen. Wer irrt, ermüdet, wer ermüdet, irrt. — Eine Gerade geht ins Unendliche; die Krumme geht im Kreise, bleibt in ihm befangen. — Der Weg eine fein gezogene Linie; seitwärts bleibt eine Welt liegen, die man sich versagen muh, um seine Linie nicht zu verlassen, auf ihr voranzuschreifen.

Selten, vielleicht sogar kaum je, wird ein Gedanke an seiner Quelle geschöpft: weit weg vom Ursprung erst, wo er sumpfig stagniert, aus starrem Letfernsatz flüchtig abgelesen, wird der Klang seiner Sprache nicht gehört. In der Vermummung des Buches und seiner Paragraphen isf er fast unkenntlich geworden. Ja, man könnte sagen, dafj er dorein eingesargt erscheint, und wo findet sich einer, der ihn vom Tode erweckt. Sein Fleisch und Blut schein zu papierner Mumie geworden. Will sich bei ihrem Anblick noch etwas von Erinnerung an sein ursprüngliches Leben regen — alsbald erlischt auch sie.

Die Menschen lassen nichf mit sich reden; und meinen damit, dafj sie selbst bereits genügend der Rede wert seien. Alles um uns hat aber Sprache; sich ihr verschliefjen, heifjt, was sie spricht, in den Wind schlagen, sich selbst mit inbegriffen, heifjt selbst windig werden. Was die Rede nicht werf hält, ist auch nicht der Rede wert.

Ein scharfes phr könnte noch aus dem reinsten Ton Nebengeräusche heraushören. So nimm Nietzsche in der Moral allerlei Triebe wahr, und nicht die saubersten. Wo wäre aber etwa dem Mute und der Tapferkeit nicht auch etwas Furchtsamkeit beigemischtl Widerlegt das etwa die Tapferkeit? Et sie etiam in ceteris. Haben wir die Nase nur für Uebelriechendes?

Mitgeteilt von Günther Schiwy SJ.

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