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Zeitgenössische Oper

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Anläßlich der Salzburger Uraufführung von Gottfried von Einems Oper „Dantons Tod“ wurde an dieser Stelle über die Umformung des Büchnerschen Dramas, die Absichten und Kunstmittel des Komponisten ausführlich berichtet. Es bleibt uns daher noch übrig, den Gesamteindruck der Wiener Erstaufführung festzuhalten und über die Kritik, ■ welche die Oper erfahren hat, Grundsätzliches zu sagen,

Einem schrieb seine Musik auf den Text von Büchner, dem es bekanntlich nicht darum ging, Einzelschicksale, „Helden“ im Sinne des klassischen Dramas zu zeichnen, sondern die Revolution darzratellen, die Revolution, die ihre eigenen Kinder verschlingt. Dies« Tendenz -wird von dem jungen Komponisten, der selbst in einer stark bewegten Zeit aufgewachsen ist, nachdrücklich unterstrichen. Dem Charakter und Gesamtstil der Vorlage entspricht auch die Musik. Sie ist unerbittlich hart, spannungsgeladen und dissonanzenreich. Daher sind an si« grundsätzlich andere Maßstäbe anzulegen als an ein. Singspiel aus der Backhendlzeit. Der Vorwurf, Einems Musik entbehre der schönen Kantüene, sie sei gefühllos und deshalb unösterreichisch, trifft daher ins Leere. (Übrigens gibt es kaum irgendeinen bedeutenden Komponisten der Vergangenheit, dem man das Fehlen der sangbaren Melodie und harmonische Härten nicht zum Vorwurf gemacht hätte.) Einems “Musik wirkt dramatisch-schlagkräftig, ohne effektvoll zu sein. Es ließe sich genau nachweisen, daß sich der Komponist Zahlreiche Effekte unbekümmert entgehen läßt. Er tut dies im Vertrauen auf die Gesamtwirkung seines Werkes und erweist sich hiedurch als ein konsequenter und verantwortungsvoller Künstler. Der Gesamtstil der Oper bestimmt auch jedes Detail. Obwohl es sich hier um ein Erstlingswerk handelt, glaube ich nicht, daß man einzelnes gelten lassen und anderes streng verurteilen darf. Es gilt hier, ein klares Ja oder ein vernünftig begründetes Nein zu sagen. Wer sich freilich von einem Kunstwerk nur einige Stunden angenehmer Unterhaltung und Ohrenschmaus erwartet, sei vor Einems Oper ausdrücklich gewarnt. Wer aber verspüren will, was die alten Griechen unter der Katharsis verstanden, der sehe sich dies« Aufführung an — eine Aufführung, zu der unsere Staatsoper ihre besten Kräfte aufgeboten hat und zu der Caspar Neher kongeniale Bühnenbilder schuf. Chor und Orchester unter Fricsay sind an Präzision kaum zu überbieten. Wenn die Aufführung auf der Höhe der Premiere bleibt, bedeutet sie ein Ruhmesblatt in der Geschichte unserer Süaats-oper. . »

Auch der Westschweizer Frank Martin geht in seinem Kammeroratorium „L e v i n h e r b e“ (Der Zaubertrank) neue Wege. Drei Abschnitte aus dem Tristan-Roman von Joseph' Bedier mit Prolog und Epilog bilden den Text. Der Aufführungsapparat des breit angelegten Werkes umfaßt zwölf chorisch und solistisch verwendete Singstimmen, ein Streichseptett und Klavier. Was der Komponist mit diesem bescheidenen Ensemble an Klang- und dramatischen Wirkungen erzielt, ist erstaunlich. Aber es will uns scheinen, als lege Martin — zugunsten eines sehr strengen musikalischen und epischen Seils — seiner eigenen Phantasie Fesseln an. Und so kommt es, daß unser Gefühl von den wenigen Stellen, die an Wagners „Tristan“ oder an pe-bussy anklingen, wie von einem Zauberstab berührt, mitzuschwingen beginnt, während sonst nur unser achtungsvolles Interesse wach war: für eine sehr noble, sehr kultivierte und sehr gekonnte Partitur.

Die etwas schwache Gesamtwirkung des schwierigen Werkes war zum Teil auf die wenig befriedigende Aufführung (IGNM und Gesellschaft der Musikfreunde, Leitung Herbert Häfner) zurückzuführen. Den Details fehlte die Präzision, dem Ganzen die Atmosphäre.

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