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Zu früh vollendet

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Bücher von Gottfried Kapp: KAIN, Drama. 106 Selten. — MELKISEDEK und ausgewählte Prosa. 272 Seiten. — BRIEE. 510 Selten. — Sämtliche erschienen bei der A. Lau-mannschen Verlagsbuchhandlung, Dülmen (Westf.).

Gottfried Kapp, als Sohn eines Eisengießers und einer Weberin 1897 im niederrheinischen Mönchengladbach geboren, stand während seiner jungen Jahre unter dem tiefen Eindruck der Frömmigkeit der Mutter und seines Wirkens als Ministrant. Das Ringen um die rechte Erkenntnis Gottes gab dann seinem dichterischen Wirken entscheidende Züge. Das Schaffen des Dramatikers, Erzählers und Lyrikers ist erstaunlich gehaltvoll und umfangreich, bedenkt man sein allzu frühes Ende. Er starb 1938 unter den Händen politisch Verführter einen sinnlosen Tod. Die in Portugal lebende Witwe bemüht sich, seinem Lebenswerk die post-hume Würdigung zu sichern, die es wahrhaftig verdient.

Vor zwei Jahren weckte in der Fülle der Neuheiten ein Roman unter dem Titel „Peter van Laar“ meine höchste Anteilnahme; der Name des Verfassers, Gottfried Kapp, war mir unbekannt. Ich schrieb damals über das außerordentliche Buch eine Besprechung in der „Furche“. Inzwischen wurde mir durch andere Werke des Dichters sein Name vertraut.

Das Drama „Kain“ hat Kapp bereits mit achtzehn Jahren geschrieben. Wollen wir es ein expressionistisches Jugendwerk nennen, so ist damit das Wesentliche bloß angedeutet. Dieses in Versen geschriebene Spiel will mit leidenschaftlicher Sprache das biblische Drama fortsetzen und den Brudermörder zu einer Gestalt erhöhen, die das Leben auf eine neue Art meistert und nur dem Tod weichen muß. Sehr wertvoll erscheint uns Walther Huders dem Drama angefügte inhaltsreiche Analyse von Kapps Schriften.

Die Erzählung „Melchisedek“, in vorbildlich klarer und maßvoller Sprache geschrieben, wieder eine Paraphrase biblischer Motive, fesselt den Leser durch die jugendliche Kraft, mit der hier der Kampf der Generationen um Leben und Zukunft ausgetragen wird. Die uns vorliegende Ausgabe ist erst vor kurzem erschienen, also lange nach dem gewaltsamen Tod des Dichters. Sie bildet einen sichtlich aus dem Nachlaß zusammengestellten Sammelband mit mehreren Erzählungen, mit Betrachtungen über Kunst und Landschaft, mit Fragmenten und mit Auszügen aus Kapps Tagebüchern. Es ist ungemein anregend, dieses literarische Labyrinth zu durchwandern, kluge Worte über Adalbert Stifter zu finden, Auseinandersetzungen des Dichters mit seiner Zeit, die seelenlos Rad und Motoren vergöttert, dann beispielsweise eine treffende Besprechung der uns aus dem Burgtheater wohlbekannten Nachdichtung Calderons durch Eugen Gürster und anderes Lesenswerte mehr.

Das zuletzt erschienene Werk heißt „Briefe“ und ist vorzüglich eingeleitet durch den bereits genannten Walther Huder. Wir finden hier vor allem an Luise, Kapps Braut und spätere Gattin, gerichtete Briefe. Sie sind „unmodern“ nur in dem einen Sinn, daß heutzutage bloß sehr wenige Menschen Zeit und Muße aufbringen, so ausführlich zu schreiben. Die hohe Geistigkeit, in der oftmals Lichter der Heiterkeit aufblinken, gibt diesem Werk bleibende Bedeutung, dort insbesondere, wo neben einer persönlichen Zeitkritik die Berichte über die kunstgeschichtlichen Betrachtungen stehen, die Kapp in Florenz, Mailand, Siena, Rom, Paris und an anderen Orten mit gründlichstem Wissen und Verstehen geschrieben hat. Jede dieser Darstellungen bildet an sich eine abgerundete mustergültige Abhandlung. Wir unterziehen uns heute gerne der Pflicht des Referenten, auf die hier erwähnten und zugleich auf die anderen Schriften von Gottfried Kapp hinzuweisen, die eine liebevolle Beachtung bei den für Buch und Geist aufgeschlossenen Lesern finden mögen. Der Name Kapp sollte gewürdigt werden.

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